Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Medienpater
Das adelige „ von“lässt
weg. Heute wird der Mann, der die deutsche Stimme des Papstes war, 80 Jahre alt. Der Jesuit mit einer Vorliebe für rote Pullis zählt zu den bekanntesten katholischen Gesichtern in Deutschland. 27 Jahre lang, von 1982 bis 2009, leitete er die deutschsprachige Abteilung von Radio Vatikan in Rom. Über den Kirchensender funkte der in Baden geborene Schwaben in alle Welt, erst über Kurzwelle, später auch via Internet. Einem breiten Publikum wurde Gemmingen durch Fernsehauftritte bekannt, etwa als er 2006 den Besuch von Papst Benedikt XVI. in seiner bayerischen Heimat kommentierte. Anderen Medien gab der Vatikankenner bereitwillig Auskunft, wenn diese wieder einmal wissen wollten, warum die katholische Kirche Kondome immer noch ablehnt: häufig plakativ, bisweilen flapsig, Hauptsache verständlich.
Gemmingen, der 1968 in München zum Priester geweiht wurde, richtete bisweilen auch kritische Töne an seine eigene Institution. Dem Vatikan empfahl er mehr Frauen in Führungspositionen. Lange vor Franziskus machte er Vorschläge zu einer umfassenden Kurienreform. Ginge es nach ihm, hätte das Kardinalskollegium heute doppelt so viele Mitglieder, vor allem deutlich mehr Afrikaner, Asiaten und Lateinamerikaner. Als prophetisch erwies sich das Plädoyer des Paters, dass auch Päpste zurücktreten dürfen sollten.
2007 setzte ein Herzinfarkt den umtriebigen Pater länger außer Gefecht. Seit seiner Genesung ist der Ordensmann wieder viel unterwegs, lässt sich landauf, landab zu Vorträgen einladen, in denen er die Frage beantwortet: „ Kann Franziskus die Kirchenkrise zu einer Kirchenchance machen?“Und noch eine Sorge beschäftigt ihn: Dass Europa in Gefahr ist, das Grundwissen über seine Wurzeln in den jüdischen zehn Geboten und dem Neuen Testament zu vergessen. Hier müsste es einmal einen gemeinsamen Aufschrei prominenter Christen geben, findet Gemmingen.
Christoph Renzikowski ( KNA)