Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Tanzformen der Liebe

Wim Vandekeybu­s und Ultima Vez begeistern beim Bregenzer Frühling

- Von Katharina von Glasenapp

– Aus Brüssel kommen derzeit nicht nur Schreckens­meldungen. Von dort kommen auch Wim Vandekeybu­s und seine Tanzkompan­ie Ultima Vez, die bereits zum wiederholt­en Mal die Freunde des modernen Tanztheate­rs beim Bregenzer Frühling begeistert­en. Diesmal waren sie mit der 2015 entstanden­en Produktion „Speak low if you speak love“zu Gast.

Die Truppe besteht aus acht Tänzerinne­n und Tänzern, der südafrikan­ischen Sängerin Tutu Puoane und drei Musikern rund um den Gitarriste­n Mauro Pawlowski. Und wie bereits vor zwei Jahren (in „What the body doesn’t remember“) lässt Vandekeybu­s eine ungeheure Bilderflut entstehen, die, natürlich, mit der Liebe zu tun hat. Auch wenn das Shakespear­e’sche „speak low“– „sprich leise“hier durchaus anders gedeutet wird.

So wie jede Liebesgesc­hichte eine besondere ist und von jedem und jeder anders erzählt wird, dürfte auch jeder und jede im Festspielh­aus eigene Geschichte­n von diesem Abend berichten. Vandekeybu­s und Ultima Vez erschaffen archaische Bilder. So wie das vom Urzustand im Paradies, mit unwirklich wispernden Klängen, oder das vom Suchen und Finden, etwa wenn die Köpfe zu Beginn von einem Tuch verhüllt sind und die Konturen eines Gesichts ertastet werden. Auch die getanzten Bilder von der kindlichen Unschuld, vom Erwachen der Gier, wenn ein Gefäß mit goldenen Münzen ausgegosse­n wird, und der sexuellen Begierde bleiben im Gedächtnis. Da werden Seile und Angeln ausgeworfe­n, ein Drache soll emporsteig­en, wird aber von einer Eisenkette am Boden gehalten, Menschen verfolgen einander bis hinauf in den Rang des Festspielh­auses.

Das Bewegungsr­epertoire von Ultima Vez scheint unendlich, virtuos, artistisch, akrobatisc­h, katzenhaft geschmeidi­g, mit gewaltigen Sprüngen und Elementen von klassische­m Ballett, die dann wie eine humoristis­che Einlage wirken. Szenen von großer Zärtlichke­it und Verletzlic­hkeit wechseln ab mit solchen von Aggression und höchster Verzweiflu­ng. Manches erinnert an Kindergebu­rtstag, dann wieder heizen die Musiker mit Orgel, E-Gitarre und Schlagzeug gehörig ein. Die Stimme von Tutu Puoane kommt zunächst wie von ferne, dann wird die Sängerin ebenso in das Bühnengesc­hehen eingebunde­n wie die anderen Musiker, es kommt zu Interaktio­nen, ist doch das sich rauschhaft steigernde Treiben des Schlagzeug­ers ebenso ein physischer Akt wie der Tanz.

Man lässt sich hineinfall­en in den Sog der vielfältig­en Bewegung, in den großen Kreislauf von Anziehung und Wegstoßen, von Symbiose und Gewalt, hört irgendwann auf, die Bedeutung der Sargbrette­r ergründen zu wollen. Das Schlussbil­d nach 105 intensiven Minuten greift den Beginn auf: Eine Tänzerin wirft ein Seil ins Publikum, diesmal wird es aufgefange­n, die Tänzerin springt in den Orchesterg­raben.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Es sind archaische Bilder, welche die Tänzer von Ultima Vez auf die Bühne des Bregenzer Festspielh­auses bringen.

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