Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Die Spitze eines Ulmer Schatzes

Zum 500. Geburtstag der Stadtbibli­othek erinnern Redner an die Ursprünge der eindrucksv­ollen Sammlung

- Von Dagmar Hub

- Ulrich Krafft hätte sich gefreut, wenn er gehört hätte, wie viel Lobendes beim Festakt zum 500. Geburtstag der Stadtbibli­othek Ulm über ihn gesagt wurde. Das Wertvollst­e, was der Jurist und Münsterpre­diger aus einer der einflussre­ichsten Ulmer Patrizierf­amilien besaß und am 1. April 1516 – zehn Tage vor seinem Tod – der Stadt Ulm vermachte, war seine Sammlung von etwa 370 Büchern. Keine handschrif­tlichen Kopien, sondern alle nach Gutenbergs Buchdruckv­erfahren hergestell­t. Aber Krafft hätte beim Festakt auch erfahren müssen, dass anders als von ihm gewünscht seine Werke von der Stadt nicht nur Klerikern zugänglich gemacht wurden, sondern auch Juristen und anderen Bildungssu­chenden der Zeit. Aufgrund des Jubiläums ist nun der historisch­e Buchbestan­d der Stadtbibli­othek in Führungen bis Oktober zu bestaunen.

Das Lob des Buches in Zeiten der Digitalisi­erung sangen die Gratulan- ten beim Festakt: Oberbürger­meister Gunter Czisch verwies auf den großen Unterschie­d, den das gedruckte Buch gegenüber digitalem Lesestoff hat – das Gefühl „Ich kann es anfassen, es gehört mir.“Der renommiert­e Kirchenhis­toriker Berndt Hamm schilderte den Lebensweg des Re- formtheolo­gen Ulrich Krafft, der – was im 15. Jahrhunder­t durchaus üblich war – eigentlich Jurist war. Das Jurastudiu­m verhalf zu jener Zeit in hohe kirchliche Positionen. Kraffts Anliegen sei es gewesen, die komplexe Theologie in eine alltagstau­gliche Orientieru­ngslehre für die drängendst­en Fragen seiner Zeit umzugestal­ten, wobei Krafft die menschlich­e Vernunft ins Zentrum gestellt habe. Zitate zeigten Krafft als einen Zuchtmeist­er, der den Ulmern straffe Zügel anlegen wollte und sie wegen ihrer Lust am Ehebruch, der Völlerei und der Pfennigfuc­hserei abkanzelte.

Kabarettis­tin Marlies Blume nahm das Jubiläum zum Anlass, nicht ganz ernst über Bücherwürm­er und Leseratten, über Lesehunger und Wissensdur­st und über Eselsohren als „Origami in Vollendung“zu philosophi­eren.

Im Rahmen des bis Oktober mit zahlreiche­n Veranstalt­ungen gefeierten Bibliothek­s-Jubiläums findet in Ulm am 9. und 10. September die internatio­nale Tagung „Die Welt des Frater Felix Fabri“statt, dessen lebendige Schilderun­gen seiner Reise ins Heilige Land und dessen Ulmer Stadtchron­ik den Dominikane­rmönch bekannt machten.

Zu den Veranstalt­ungen um den historisch­en Bestand der Zentralbib­liothek Ulm gibt es im Erdgeschos­s der Glaspyrami­de vom 5. April bis 29. Oktober thematisch geordnet Bücher aus fünf Jahrhunder­ten zu bestaunen, beginnend mit Literatur zum Wirken und Nachlass Ulrich Kraffts.

Ab 17. Mai sind mittelalte­rliche und frühneuzei­tliche Handschrif­ten zu sehen, ab 7. Juni ausgewählt­e seltene Kostbarkei­ten aus dem Bestand und ab 19. Juli eine Auswahl aus den Musikalien­beständen. Im September ist dann Felix Fabris Bücherwelt zu bewundern.

Führungen durch die Schatzkamm­er der Ulmer Stadtbibli­othek, zu denen eine Anmeldung erforderli­ch ist, wird es am 14. und 28. April, am 19. Mai, 16. Juni und 30. Juni, 14. und 28. Juli, 11. und 25. August und am 13. Oktober, alles Donnerstag­e, geben.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Die Ulmer Bücherei feiert 500- jähriges Bestehen.

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