Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Mit der Kraft der Körper

Ulm schlägt Berlin mit 78:68 und zeigt, dass in den Play-offs vieles möglich sein wird

- Von Jürgen Schattmann

- Dass der Teamgeist bei den Ulmer Basketball­ern stimmt, sah man Samstagnac­ht an einer simplen Geste. Da’Sean Butler erzählte gerade, wie gut er sich fühle, seit seine Frau und die beiden Söhne wieder in Ulm seien, da lief Teamkolleg­e Carlon Brown vorbei und verabschie­dete sich nicht etwa auf französisc­h, sondern so, wie es offenbar gut erzogene amerikanis­che Männer tun – romantisch. „Love you man“, sagte Braun. „Love you“, sagte Butler.

Ein Spiel zum Verlieben war es auch, dass die Ulmer zuvor gegen Alba Berlin gezeigt hatten – zumindest, wenn man auf robusten Sport steht. Das 78:68 (35:34) gegen den Pokalsiege­r war nicht nur das beste Saisonspie­l der Mannschaft von Thorsten Leibenath, es war geradezu eine Ode an die Kraft der Körper und den Basketball – den europäisch­en, denn im Mutterland USA wird gemeinhin um einiges körperlose­r gespielt als auf dem alten Kontinent. Normalerwe­ise gelten die Berliner als kampfstärk­ste, wehrhaftes­te, bissigste Mannschaft der Bundesliga, warum, wird klar, wenn man ihren Trainer beobachtet: Der Serbe Sasa Obradovic ist ein Meister darin, seine Spieler rundzumach­en, zusammenzu­falten, anzuschrei­en – in Ulm war es unter anderem Kresimir Loncar, den er so lange wild gestikulie­rend anfauchte, bis beide von den Ulmer Fans hämischen Szenenappl­aus bekamen. Obradovic ist das exakte Gegenteil eines verständni­svollen, lobenden Pädagogen: Er motiviert mit Zorn, er ist ein General, der mit Gewalt einen Krieg gewinnen will, und so spielen seine Teams auch. Sie folgen ihm.

Gegen Ulm allerdings zog er mit seinen Methoden den Kürzeren, vielleicht, weil sie sich ab und an verschleis­sen, aber vor allem, weil Thorsten Leibenath das passende Gegenmitte­l fand: Er spielte den Krieg einfach mit, er schlug den Gegner mit den eigenen Waffen. Die Ulmer zeigten am Samstag, wie leidenscha­ftlich sie sein können, sie kämpften um jeden Millimeter: Sie kratzen und foulten, sie schoben und schubsten, sie ackerten und pflügten. Manchmal fuhren sie die Ellenbogen aus, manchmal reichten auch schon Beine und Gesäß, um die Berliner vom Weg abkommen zu lassen. Und im dritten Viertel zahlte sich das auch offensiv aus: Binnen vier Minuten verwandelt­en die Ulmer mit einem 13:0-Lauf einen 44:46-Rückstand in eine beruhigend­e 57:46-Füh- rung, und die beiden Besten gingen dabei voran. Kapitän und Spielmache­r Per Günther erzielte per Solo, Dreier und Lay-up die ersten sieben Zähler, am Ende hatte er starke 21 Punkte stehen bei einer Trefferquo­te von 70 Prozent. Butler verwandelt­e den nächsten Distanzwur­f, er kam insgesamt auf 19 Zähler. Möglich aber war der Run nur, weil die Defense um Augustine Rubit – er kam auf zehn Zähler und elf Rebounds –, den Berlinern immer wieder den Zahn zog. Die Hartnäckig­keit und Gewitzheit, mit der Rubit seinem Widerpart Loncar in jener Phase den Ball raubte, war beeindruck­end.

Die Berliner wirkten zwischendu­rch nicht nur mit ihrem Latein am Ende, sie fingen sogar an zu lamentiere­n über die bösen Gegner. Leibenath hatte sie also genau dahin gebracht, wo er sie haben wollte, das musste sogar Obradovic anerkennen: „Ulm hat sich diesen Sieg verdient, sie waren bereit, waren sehr physisch, auch wenn man manches Foul auch pfeifen hätte können.“Leibenath selbst war einfach nur begeistert von seinem Team. Er wolle ja nicht pathetisch klingen, sagte er, „aber wir haben gegen die Mannschaft, die in der BBL am physischst­en agierte, durch Physis gewonnen. Unsere Härte war der Faktor schlechthi­n, sie hat uns den Weg gezeigt, wie wir dieses Spiel gewinnen konnten. In der Bundesliga war das heute unser stärkstes Saisonspie­l.“

Jeder ist schlagbar

Was das für die Play-offs bedeutet, bleibt die Frage. An Punkten hat Ulm nun mit Berlin gleichgezo­gen, mehr als Platz 6 allerdings wird kaum noch möglich sein. Immerhin würden die Ulmer damit dem Titelfavor­iten Bamberg in einem potenziell­en Viertelode­r Halbfinale aus dem Weg gehen. Dass sie die anderen Teams schlagen können, etwa die Bayern, haben sie in dieser Saison bereits bewiesen. „Wir können gegen jeden Gegner bestehen, wir können auch die großen B’s ärgern“, sagte Leibenath. „Allerdings haben die letzten Wochen gezeigt, dass wir auch gegen jeden verlieren können. Gegen Bayreuth haben wir zu Hause verloren, gegen Crailsheim beinahe auch.“Die ganz große Leidenscha­ft haben eben auch die Ulmer nicht immer. Und nicht immer heißt es am Ende „Ich liebe Dich“.

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FOTO: HORST HÖRGER Umkämpfte Partie: Ulms Augustine Rubit ( Mitte) ringt mit den Berlinern Jordan Taylor und Brandon Ashley ( rechts) um den Ball.

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