Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Mit der Kraft der Körper
Ulm schlägt Berlin mit 78:68 und zeigt, dass in den Play-offs vieles möglich sein wird
- Dass der Teamgeist bei den Ulmer Basketballern stimmt, sah man Samstagnacht an einer simplen Geste. Da’Sean Butler erzählte gerade, wie gut er sich fühle, seit seine Frau und die beiden Söhne wieder in Ulm seien, da lief Teamkollege Carlon Brown vorbei und verabschiedete sich nicht etwa auf französisch, sondern so, wie es offenbar gut erzogene amerikanische Männer tun – romantisch. „Love you man“, sagte Braun. „Love you“, sagte Butler.
Ein Spiel zum Verlieben war es auch, dass die Ulmer zuvor gegen Alba Berlin gezeigt hatten – zumindest, wenn man auf robusten Sport steht. Das 78:68 (35:34) gegen den Pokalsieger war nicht nur das beste Saisonspiel der Mannschaft von Thorsten Leibenath, es war geradezu eine Ode an die Kraft der Körper und den Basketball – den europäischen, denn im Mutterland USA wird gemeinhin um einiges körperloser gespielt als auf dem alten Kontinent. Normalerweise gelten die Berliner als kampfstärkste, wehrhafteste, bissigste Mannschaft der Bundesliga, warum, wird klar, wenn man ihren Trainer beobachtet: Der Serbe Sasa Obradovic ist ein Meister darin, seine Spieler rundzumachen, zusammenzufalten, anzuschreien – in Ulm war es unter anderem Kresimir Loncar, den er so lange wild gestikulierend anfauchte, bis beide von den Ulmer Fans hämischen Szenenapplaus bekamen. Obradovic ist das exakte Gegenteil eines verständnisvollen, lobenden Pädagogen: Er motiviert mit Zorn, er ist ein General, der mit Gewalt einen Krieg gewinnen will, und so spielen seine Teams auch. Sie folgen ihm.
Gegen Ulm allerdings zog er mit seinen Methoden den Kürzeren, vielleicht, weil sie sich ab und an verschleissen, aber vor allem, weil Thorsten Leibenath das passende Gegenmittel fand: Er spielte den Krieg einfach mit, er schlug den Gegner mit den eigenen Waffen. Die Ulmer zeigten am Samstag, wie leidenschaftlich sie sein können, sie kämpften um jeden Millimeter: Sie kratzen und foulten, sie schoben und schubsten, sie ackerten und pflügten. Manchmal fuhren sie die Ellenbogen aus, manchmal reichten auch schon Beine und Gesäß, um die Berliner vom Weg abkommen zu lassen. Und im dritten Viertel zahlte sich das auch offensiv aus: Binnen vier Minuten verwandelten die Ulmer mit einem 13:0-Lauf einen 44:46-Rückstand in eine beruhigende 57:46-Füh- rung, und die beiden Besten gingen dabei voran. Kapitän und Spielmacher Per Günther erzielte per Solo, Dreier und Lay-up die ersten sieben Zähler, am Ende hatte er starke 21 Punkte stehen bei einer Trefferquote von 70 Prozent. Butler verwandelte den nächsten Distanzwurf, er kam insgesamt auf 19 Zähler. Möglich aber war der Run nur, weil die Defense um Augustine Rubit – er kam auf zehn Zähler und elf Rebounds –, den Berlinern immer wieder den Zahn zog. Die Hartnäckigkeit und Gewitzheit, mit der Rubit seinem Widerpart Loncar in jener Phase den Ball raubte, war beeindruckend.
Die Berliner wirkten zwischendurch nicht nur mit ihrem Latein am Ende, sie fingen sogar an zu lamentieren über die bösen Gegner. Leibenath hatte sie also genau dahin gebracht, wo er sie haben wollte, das musste sogar Obradovic anerkennen: „Ulm hat sich diesen Sieg verdient, sie waren bereit, waren sehr physisch, auch wenn man manches Foul auch pfeifen hätte können.“Leibenath selbst war einfach nur begeistert von seinem Team. Er wolle ja nicht pathetisch klingen, sagte er, „aber wir haben gegen die Mannschaft, die in der BBL am physischsten agierte, durch Physis gewonnen. Unsere Härte war der Faktor schlechthin, sie hat uns den Weg gezeigt, wie wir dieses Spiel gewinnen konnten. In der Bundesliga war das heute unser stärkstes Saisonspiel.“
Jeder ist schlagbar
Was das für die Play-offs bedeutet, bleibt die Frage. An Punkten hat Ulm nun mit Berlin gleichgezogen, mehr als Platz 6 allerdings wird kaum noch möglich sein. Immerhin würden die Ulmer damit dem Titelfavoriten Bamberg in einem potenziellen Vierteloder Halbfinale aus dem Weg gehen. Dass sie die anderen Teams schlagen können, etwa die Bayern, haben sie in dieser Saison bereits bewiesen. „Wir können gegen jeden Gegner bestehen, wir können auch die großen B’s ärgern“, sagte Leibenath. „Allerdings haben die letzten Wochen gezeigt, dass wir auch gegen jeden verlieren können. Gegen Bayreuth haben wir zu Hause verloren, gegen Crailsheim beinahe auch.“Die ganz große Leidenschaft haben eben auch die Ulmer nicht immer. Und nicht immer heißt es am Ende „Ich liebe Dich“.