Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Königsklasse, Konzernkrise und königsblauer Käse
Ausnahmsweise wird an dieser Stelle heute über den Tellerrand, über das Werksgelände hinausgeblickt: ein paar Zeilen Bundesliga extern. Schließlich ist Real Madrid am Mittwoch in einem so noch nie dagewesenen Champions-League-Viertelfinale Gegner des ins Schleudern geratenen VW-Vereins VfL Wolfsburg. Als würde es nicht eh schon hinreichend Unterschiede geben, machten die jeweiligen nationalen Ligaspiele dem letzten Sportfreund klar, das Welten aufeinanderprallen.
Auf der einen Seite die Königlichen, die soeben im Clásico völlig unverhofft beim ewigen Rivalen und Tabellenführer FC Barcelona mit 2:1 triumphiert haben. Zwar ist Real noch immer mit sieben Zählern Rückstand lediglich Tabellendritter der spanischen Primera División, doch nachdem Real dank der Tore von übrigens vorbereitet vom starken und die zuvor 39 Partien lang nicht bezwungenen Katalanen in die Knie gezwungen hatte, herrschte im Lager der Königlichen Euphorie. Selbstdarsteller Ronaldo trug beim auf Twitter veröffentlichten Jubelfoto in der Kabine lediglich eine Unterhose zum Sixpack. Und Abwehrchef der in
Karim Benzema,
Toni Kroos, Cristiano Ronaldo
Sergio Ramos,
Minute 83 Gelb-Rot gesehen hatte, witzelte sogar: „Wenn ich gewusst hätte, dass wir mit zehn Mann gewinnen, hätte ich mir schon in der 5. Minute einen Platzverweis eingehandelt.“Trainer Zinedine Zidane, dem Klamauk fremd ist, stellte immerhin fest: „Das gibt uns moralisch einen enormen Auftrieb.“
Die Moral und der VfL? Das ist derzeit so eine Sache: Erst der Zoff um Zocker dann die Suspendierung von und schließlich auch noch am Freitagabend die 0:3-Demütigung im „Plastico“, wie der „Kicker“das Duell der Werksklubs aus Leverkusen und Wolfsburg despektierlich ge-
Max Kruse,
Nicklas Bendtner
nannt hatte. Moralischer Tiefpunkt hierbei war übrigens der von dargebotene sterbende Schwan. Nach einem vermeintlichen Foul von
Felix Brych
Dante
Javier „Chicharito“Hernández,
Bayers kleiner Erbse, war der nicht die Bohne verletzte Brasilianer theatralisch liegen geblieben. Sein Ziel: eine Spielunterbrechung. Doch es kam anders: – ein Lob dem Referee! – ließ die Partie weiterlaufen, und der flinke Mexikaner erzielte das vorentscheidende 2:0 für Leverkusen. Direkt danach gaben die Wolfsburger Kicker das einzige Mal in dieser einseitigen Begegnung Vollgas: Sie bestürmten Brych. Der Schiedsrichter blieb jedoch konsequent und bei seiner Entscheidung.
Vor dem Höhepunkt der Vereinsgeschichte ist die Luft raus bei der kickenden Abteilung von Europas größtem Automobilkonzern.
zuletzt noch einer der besseren Spieler im Krisenteam, meinte nach der Blamage: „Ich hatte das Gefühl, dass Real schon zu viel in den Köpfen rumgespukt ist, im Umfeld und bei der Mannschaft. Anders kann ich mir so eine Leistung nicht erklären.“Ähnlich ging es dem Trainer. „Wenn man unsere Leistung von heute sieht, verbietet es sich, über die Champions League nachzudenken“, sagte und wirkte konsterniert. Die Gründe für die neuerliche Pleite? „Würde ich die alle aufzählen, säßen wir noch die ganze Nacht hier. Das werden wir am Saisonende aufarbeiten.“Heckings Vorfreude auf das Heimspiel gegen die Königlichen hielt sich in Grenzen: „So wie wir auftreten, sind wir keine Mannschaft. Das wird gegen Real nicht prickelnd.“Das ZDF überträgt am Mittwoch live ab 20.45 Uhr.
Draxler,
mann
Julian
Dieter Hecking
Bleibt vor lauter Königsklasse noch ein bisschen Königsblau: Schalke 04, ein Verein mit Champions-LeagueAmbitionen, hat am Samstag beim FC Ingolstadt, dem kleinen Konzernbruder der Wolfsburger, 0:3 verloren. Der tapfere Aufsteiger hat den Klassenerhalt somit quasi sicher, die Schalker dürften froh sein, wenn sie sich am Ende für die Europa League qualifizieren. Keeper
jedenfalls meinte: „Das war einfach nur Käse von uns. Platz vier war von Anfang an pure Träumerei.“
Ralf Fähr-