Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
RTL-Casting-Show sucht wieder das Supertalent – auch in der Region
Wie ein 70-Jähriger aus Ulm es schaffte, mit seiner Stimme die Jury zu überzeugen
- Sechs Jahre ist es her, da kam Joachim Sander bis vor Dieter Bohlen – und machte einen entscheidenden Fehler. Der 70-Jährige sang einen Song von Bohlen, um dem Musiker zu imponieren. „So konnte ich aber nicht meine Stimme entfalten“, sagt Sander. Und seine Stimme sei es, was den geborenen Ulmer ausmache. „Ich kann so hoch singen wie kein anderer Mann auf der Welt“, ist der „Supertalent“-Kandidat aus Heidenheim überzeugt.
Wie er sitzt am Nachmittag noch ein Dutzend weiterer Bewerber für die RTL-Show im Empfangsraum des Hotels Lago in Ulm. Sie alle wollen sich für die Fernsehsendung qualifizieren, die im Herbst dieses Jahres zum elften Mal ausgestrahlt wird. Bekannt geworden ist sie vor allem durch die oft harten Bewertungen des Jurymitglieds Dieter Bohlen.
Das Mitglied des ehemaligen Pop-Duos „Modern Talking“ist auch Gesprächsthema bei den Kandidaten. „Ich habe keine Angst vor Dieter Bohlen“, sagt Angelo Molé aus Ulm. Denn bald muss er vor der Jury vorsingen. Zur Beruhigung steht ihm seine Freundin Rosa Gurrieri zur Seite. Sie weiß, wie es ist, vor Kameras zu stehen. Denn die 30Jährige hat dieses Jahr bereits bei der Abnehm-Show „The Biggest Looser“mitgemacht. Wie ihr Freund liebt sie Karaoke. Heute muss Molé aber ohne instrumentelles Playback auskommen. Er hat für die Jury den italienischen Beitrag des Eurovision-Songcontests von 2015 vorbereitet: „Grande Amore“von „Il Volo“.
Einstudiert hat die 19-jährige Arbana Gashi dagegen noch nichts. „Ich bin sehr spontan. Zehn Minuten, bevor meine Freundin zum Casting gegangen ist, habe ich mich entschieden mitzukommen“, sagt die Schülerin der FOS Neu-Ulm. Eigentlich wollte sie an dem Nachmittag lernen, denn sie steckt mitten in den Abiturprüfungen. „Aber einer Freundin kann man schwer etwas ausschlagen“, sagt die 19-Jährige und lacht.
Nicht mit seiner Stimme, sondern mit seinen Texten will Reinhard Schneider überzeugen. Der 46-Jährige ist extra aus dem österreichischen Vorarlberg angereist, um beim Supertalent-Casting teilzunehmen. „Ich bin nicht aufgeregt, weil ich keine Erwartungen habe“, sagt er.
Seit eineinhalb Jahren schreibt er, wie er sagt, „Geschichten vom Leben“. Sie handeln von Verlusten und einschneidenden Erlebnissen des 46-Jährigen. Zum Schreiben ist der Bauleiter gekommen, weil er die schwere Krankheit seiner beiden Kinder auf diese Weise verarbeitete. Er setzt damit besonders auf eines: „Meine Texte sind authentisch. Sie öffentlich vorzutragen, war für mich schon lange ein Traum.“
Träume – von Erfolg, Reichtum, Bekanntheit – das sind wohl für viele der „Supertalent“-Bewerber Anreize, um bei der Show mitzumachen. Dass Träume schnell zerplatzen können, weiß auch Joachim Sander. Der Mann, der seinen Angaben nach so hoch singen kann wie niemand sonst auf der Welt, hat schon viel Erfahrung im Musikgeschäft gemacht.
In den 70ern nahm der ehemalige Grund- und Hauptschullehrer bereits an der Sendung des damaligen Südwestfunks (SWF) „Talentschuppen“teil. Einer der Vorläufer für Casting-Shows wie „Das Supertalent“. „Damals kam ich unter die besten zehn“, sagt der heute 70-Jährige. Daraufhin bot ihm eine Münchner Plattenfirma einen Vertrag an. „Sie waren so überzeugt von mir, dass sie mich zum Grand Prix schicken wollten“, sagt der Sänger und Gitarrist. Dann aber ging die Firma in Konkurs. Sanders Traum zerplatzte.
Die Liebe zur Musik hat er dennoch nie verloren. „Ich war gezwungen, selbst zu reifen. Vielleicht hätte ich aber auch eine tolle Karriere gehabt“, sagt er. Und vielleicht wird dieser Traum für Sander beim „Supertalent“doch noch erfüllt. Denn die Jury schickte ihn in die zweite Runde.