Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Anreise in Moll
Der Terror überschattet das Europa-League-Finale zwischen Manchester und Amsterdam
(dpa/ SID) - Tief betroffen standen die Stars von Manchester United auf ihrem Trainingsplatz und schwiegen. Das Abschlusstraining vor dem heutigen Europa-League-Endspiel gegen Ajax Amsterdam (20.45 Uhr/Sky und Sport1) geriet zu einer Demonstration der Solidarität und des Mitgefühls mit den Opfern des schweren Terroranschlags in der englischen Stadt.
„Bleib stark, Manchester!“, twitterte der United-Spielmacher und ExDortmunder Henrich Mchitarjan. Klub-Idol Wayne Rooney teilte mit: „Verheerende Nachrichten. Ich bete für die Opfer und deren Angehörige.“Trainer José Mourinho sagte: „Wir sind alle sehr traurig und können die Opfer und ihre Familien nicht aus unseren Gedanken und Herzen streichen. Aber wir haben einen Job zu erledigen und fliegen nach Schweden, um das zu tun. Auch wenn wir das nicht mit der Freude tun können, die wir sonst immer vor großen Spielen haben.“
Ajax gegen United in Stockholm – das ist trotz allem das bisher wohl namhafteste und geschichtsträchtigste Finale in der Historie der Europa League. „Zwei Giganten prallen aufeinander“, schrieb der europäische Verband UEFA. Doch nach den 22 Todesopfern und 59 Verletzten bei einem Popkonzert in der Manchester Arena wird der Fußball erneut vom Terror überschattet. Die Mannschaft von Manchester United flog am Dienstag von einer Stadt, die unter Schock steht, in eine andere Stadt, die erst vor anderthalb Monaten das Ziel eines Anschlags war. Im Endspielort Stockholm raste am 7. April ein Lastwagen in die Fußgängerzone und riss fünf Menschen in den Tod.
Griezmann erwägt Wechsel
Immerhin: Die Sicherheitsvorkehrungen in Schweden müssen nicht mehr entscheidend erhöht werden. Sie seien allein schon in der Folge des 7. April besonders hoch, teilte die UEFA mit. Die Frage ist eher, wie die Spieler von United die Ereignisse in der kurzen Zeit zwischen Anschlag und Anpfiff aus dem Kopf kriegen. Schließlich wurde das Konzert der US-Sängerin Ariana Grande auch von zahlreichen Fans, Club-Angestellten und Kindern von Partner-Schulen der Manchester United Stiftung besucht.
Der sechsmalige Europapokal-Sieger Ajax spielt zum ersten Mal seit 21 Jahren wieder um einen internationalen Titel. Dennoch ist das Finale für Manchester United noch ungleich wichtiger. Der englische Rekordmeister leistet sich einen der bekanntesten Trainer (José Mourinho) und den teuersten Spieler (Paul Pogba) der Welt, wurde in der Premier League aber trotzdem nur Sechster. Der Gewinn der Europa League ist folglich die letzte Chance, um noch die Champions League zu erreichen und sich für weitere Stars wie Antoine Griezmann von Atlético Madrid attraktiv zu machen. Der EM-Torschützenkönig aus Frankreich räumte ein, ein Wechsel zu Man United sei durchaus „möglich“. Auf die Frage, wie groß er die Chance auf einen Wechsel auf einer Skala bis 10 einstufen würde, sagte Griezmann ohne zu zögern: „Sechs.“Der 26-Jährige hat bei Atlético einen Vertrag bis 2021, in dem aber eine Ausstiegsklausel im Falle einer Ablösezahlung von 100 Millionen Euro fixiert ist. In zwei Wochen werde er wohl mehr über seine Zukunft wissen, sagte Griezmann, der den verletzten Zlatan Ibrahimovic ersetzen könnte.
Mourinho hat also diverse Anreize: „Dieses Spiel ist eine Chance, wieder eine europäische Trophäe zu gewinnen, in die Champions League zurückzukehren und diese Saison auf eine perfekte Weise zu beenden“, sagt Mourinho. Noch zu Beginn der Europa-League-Saison hatte der Portugiese ganz anders geklungen: „Das ist kein Wettbewerb, den Manchester United will. Und das ist kein Wettbewerb, den ich will“, tönte er da.
Gegner Ajax sprach den Engländern sein Mitgefühl aus. „Von Amsterdam mit Liebe zu Manchester. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und den Angehörigen der Betroffenen.“
Bei aller Solidarität, die da zum Ausdruck kommt, und aller Tradition, die die beiden großen Namen des Fußballs verbindet: Ajax gegen United ist ein Duell der Gegensätze. Während Manchester allein vor dieser Saison 185 Millionen Euro für Spieler wie Pogba (Juventus Turin) und Mchitarjan ausgab, bleiben die Niederländer ihrer Philosophie seit Jahrzehnten treu: Dieser Verein kauft keine teuren Stars, er bildet sie selbst aus.
„Manchester hat das größere Budget und die größere Erfahrung“, sagt Ajax-Trainer Peter Bosz, der 1998 ein Jahr lang für Hansa Rostock spielte. „Aber auch wir haben ein gutes Team. Sonst wären wir jetzt nicht hier.“