Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Rabbiner
Walter Homolka hat ein Bein im weltlichen Leben und eins im geistlichen, wie er selbst sagt: Wirtschaftswissenschaftler und jüdischer Theologe. Am Sonntag wurde er in Bonn zum Vorsitzenden der Union progressiver Juden (UpJ) gewählt, des Zusammenschlusses von 26 liberalen Gemeinden in Deutschland mit rund 5200 Mitgliedern. Er ist ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen: früher Investmentmanager der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank. Anfang der 1990er-Jahre wurde Homolka Vorstandsassistent der Bertelsmann AG in München und persönlicher Referent des Vorstandsvorsitzenden Mark Wössner. Zwei Jahre später war er Kaufmännischer Direktor beim Siedler-Verlag, 1998 Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland und im Jahr 2000 Kulturchef der Deutschen Bank.
Doch mehr und mehr stützte sich Homolka auf sein geistliches Standbein und wurde damit einer der bekanntesten Vertreter des deutschen Judentums. Seit 1997 Rabbiner, ist er Rektor des 1999 von ihm mitgegründeten Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam, an dem liberale Rabbiner und Kantoren ausgebildet werden, außerdem seit 2014 Professor für Jüdische Religionsphilosophie der Neuzeit und Geschäftsführender Direktor der School of Jewish Theology der Uni Potsdam.
Geboren wurde er im niederbayerischen Landau in einer katholischen Familie; die Mutter war eine Musikerin jüdischer Herkunft. Mit 17 konvertierte er zum Judentum. „Mich faszinierte die klare Lehre vom verborgenen Gott, dem letztlich ganz Anderen“, erklärt er. Vielleicht sei es aber auch ein Stück weit ein Protest gegen das Sinnmonopol seiner damaligen katholischen Umgebung gewesen.
All das hat Homolka die Beharrlichkeit verschafft, das eigentlich Unmögliche möglich zu machen: Erstmals nach dem Holocaust in Deutschland wieder liberale Rabbiner auszubilden – und das mittlerweile an einer staatlichen Hochschule. Homolka wirbt für ein Judentum der Vielfalt. Und er setzt sich für einen respektvollen Umgang aller Religionen miteinander ein und fordert gemeinsame Allianzen gegen Antisemitismus. (KNA)