Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Handwerk soll fit für die Zukunft werden
4,4 Millionen Euro Landesgelder für Personalentwicklung und Strategie der Betriebe
STUTTGART - Mit 4,4 Millionen Euro bis 2019 will die Landesregierung das Handwerk in Baden-Württemberg fit für die Zukunft machen. „Wir leben in einer Zeit großer Veränderungen“, sagte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) am Donnerstag in Stuttgart. Deshalb habe sie gemeinsam mit dem BadenWürttembergischen Handwerkstag (BWHT) Förderstrategien für die Betriebe im Land entwickelt. Die brennendsten Probleme: Personal finden und halten, Zukunftsstrategien für den eigenen Betrieb entwickeln und sich der Digitalisierung stellen.
Seit Anfang des Jahres läuft das Projekt „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“. Wegen der derzeit hervorragenden wirtschaftlichen Lage täten sich die Handwerksbetriebe schwer damit, sich Gedanken über die Zukunft zu machen, erklärte BWHT-Hauptgeschäftsführer Oskar Vogel und spricht von einem „erheblichen Strategiedefizit“. Manche Handwerker sähen keinen Bedarf für eine strategische Ausrichtung ihres Betriebs, „aber wenn ich innovativ sein und meine Nachfolge frühzeitig regeln will, brauche ich eine Strategie“, so Vogel. Hinzu kämen viele Handwerker, die ihren Betrieb für die Zukunft wettbewerbsfähig machen wollen, aber nicht wüssten wie. Diese Probleme wollen Wirtschaftsministerium und BWHT mittels einer Strategieoffensive angehen. Hierfür sollen 2,2 der 4,4 Millionen Euro an Landesgeldern fließen. Mit dem Geld richtet der BWHT eine koordinierende Stabsstelle ein. Sie soll sich darum kümmern, dass neue, wichtige Entwicklungen in den Betrieben ankommen. Außerdem muss der Handwerksbetrieb künftig nur noch 350 statt wie bislang 500 Euro pro Tag zahlen, wenn ein Strategieberater in seinen Betrieb kommt.
Die anderen 2,2 Millionen Euro sind für eine Personaloffensive bestimmt. „Wir wollen in diesem Projekt keine Fachkräfte finden, sondern binden“, sagte Vogel. Denn zwei Drittel aller Fachkräfte verließen laut einer deutschlandweiten Studie das Handwerk im Laufe ihres Berufslebens. Vogel vermutet, dass der Wert für Baden-Württemberg, wo die starke Industrie mit gut bezahlten Arbeitsplätzen lockt, noch höher ist.
Das Handwerk muss also attraktiver werden, so Vogels Fazit. Dabei gehe es unter anderem um die Frage des Gesundheitsmanagements für ältere Mitarbeiter. Aber etwa auch darum, Mitarbeiter am Erfolg des Betriebs zu beteiligen. „Solche Prämiensysteme sind den Betrieben noch nicht vertraut“, sagt Vogel. „Dazu braucht es unser Coaching.“In jeder der acht Handwerkskammern im Land soll dafür eine Personalberaterstelle eingerichtet werden. Die Handwerksbetriebe können sich dann an maximal acht Tagen kostenfrei zur Personalbindung und Personalentwicklung beraten lassen. Ist diese Zeit ausgeschöpft, kann der Betrieb auch wie bisher einen Berater ins Haus holen. Auch hier verringern sich dank Landesgeldern die Kosten von 500 auf 350 Euro pro Tag. Geplant sind zudem eine Informationsplattform im Internet, die derzeit aufgebaut wird. Auch will der BWHT attraktive Veranstaltungen organisieren, um die Handwerker für die Personalentwicklung zu sensibilisieren.
Vorteile für Bäcker
Für den Doppelhaushalt 2018/2019 hat Hoffmeister-Kraut zusätzliche Gelder für eine Digitaloffensive Handwerk 2025 beantragt. Die Beratungen hierzu laufen noch. Doch Vogel kündigte bereits an: „Wir werden alles, was es digital gibt und was Betriebe wissen müssen, in ein Schaufenster stellen“– unter anderem sollen die Informationen im Internet verfügbar sein. Geplant sind außerdem Berater für Innovation und Technologie, die Betriebe kostenlos beraten sollen.
Der Biberacher Abgeordnete Thomas Dörflinger, Experte für Handwerk in der CDU-Fraktion, stützt den Kurs der Wirtschaftsministerin. Er werde sich, gemeinsam mit seinen Fraktionskollegen, in den Haushaltsberatungen für die beantragten Gelder einsetzen, erklärte er. „Wichtig ist mir ganz besonders, dass die kleinen und mittelständischen Unternehmen gezielt bei Fragen der Digitalisierung unterstützt und mitgenommen werden, denn diese können in der Frage nicht auf die Ressourcen von Weltmarkführern zurückgreifen“, so Dörflinger.
Wie nützlich die Digitalisierung sein könne, zeige sich etwa am Bäckerhandwerk, erklärte Vogel. Durch einen veränderten technischen Prozess könne der Bäcker morgens zwei Stunden länger schlafen. Das frühe Aufstehen hat die Branche bei der Personalgewinnung zuletzt massiv unter Druck gesetzt. Auf dieses positive Beispiel geht auch der handwerkspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Martin Grath, ein und sagt: „Eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist notwendig, um die Vielfalt der Handwerksberufe auch in Zukunft für gut qualifizierten Nachwuchs attraktiv zu halten.“Deshalb setze sich seine Fraktion auch für die Möglichkeit der Teilzeitausbildung ein.