Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Elternzeit ja – aber nur kurz
Junge Väter wünschen sich mehr Zeit mit ihren Kindern, aber das ist gar nicht so einfach
MÜNCHEN - Die Zahl der Papas, die in Elternzeit gehen, ist so hoch wie nie. Allerdings bleiben die meisten nur zwei Monate beim Baby. Der Grund: traditionelle Rollenbilder und das Geld.
Unruhige Nächte, Wäscheberge, Wutanfälle im Supermarkt: Tillmann Burghardt kennt den ganz normalen Wahnsinn mit Kindern. Er hat zwei. Gerade ist der Ravensburger Vollzeitpapa, er ist für zwei Monate in Elternzeit gegangen. „Schon jetzt ist die Beziehung zu meinem Kleinsten noch viel inniger geworden“, freut sich der 37-Jährige. Der einjährige Jasper strecke viel öfter die Ärmchen nach ihm aus und lasse sich prima füttern.
Tillmann Burghardt war zwar auch nach der Geburt von Tochter Harriet (3) im Einsatz zwischen Krippe und Krabbelgruppe, damals aber gerade dabei, sich beruflich neu zu orientieren. Dieses Mal kann er die Auszeit mehr genießen – und würde am liebsten noch ein paar Monate länger zu Hause bleiben. Doch Job und finanzielle Situation lassen es nicht zu. Damit ist der Laborleiter in einem Pharmakonzern nicht alleine. Viele Väter hätten gerne mehr Zeit für die Familie, sehen aber keine Möglichkeit, diesen Wunsch zu realisieren.
Dabei liegt die Zahl der Männer, die in Baden-Württemberg und in Bayern Elternzeit nehmen, über dem Bundesdurchschnitt von 35,7 Prozent. In Baden-Württemberg beantragten nach Angaben des Statistischen Bundesamts für die im zweiten Quartal 2015 geborenen Kinder rund 40,1 Prozent der Väter Elterngeld. Damit liegt das Land auf Platz vier hinter Sachsen (46,7), Bayern (43,4) und Thüringen (42,7). Scheinbar wird damit das Vorurteil korrigiert, dass im Süden der Republik das traditionelle Familienbild vorherrsche.
Bezugsdauer im Süden kürzer
Doch bei genauerem Hinschauen relativiert sich das Bild. Denn in Sachen Bezugsdauer ändert sich seit Jahren so gut wie nichts. Während Frauen in der Regel knapp zwölf Monate den Nachwuchs betreuen, tauschen Männer nur für die zwei Pflichtmonate ihren Bürostuhl mit dem Job an der Wickelkommode. Dabei könnten die insgesamt 14 Monate paritätisch verteilt werden. Bei der Bezugsdauer des Elterngelds rangieren Bayern und Baden-Württemberg auf den hinteren Plätzen.
Und das, obwohl immer mehr Väter eine partnerschaftliche Aufteilung der Erwerbs- und Familienarbeit möchten“, sagt Harald Rost, stellvertretender Leiter des Staatsinstituts für Familienforschung an der Universität Bamberg. So wünschen sich laut der Studie „Männerperspektiven“des Bundesfamilienministeriums 42 Prozent der Männer eine Partnerschaft, in der beide erwerbstätig sind und sich etwa gleich viel um Haushalt und Kinder kümmern. Warum klaffen Wunsch und Realität so weit auseinander?
Eine fundierte Erklärung für die Stagnation bei den Vätermonaten gibt es nicht. Fakt ist: Eine gerechtere Rollenverteilung muss sich eine Familie erst einmal leisten können. „In einer älteren Umfrage nannten rund 60 Prozent ihre finanzielle Situation als Grund für eine kurze Elternzeit“, sagt Diplom-Soziologe Rost. Noch immer sei oft der Mann der Haupternährer. „Das Elterngeld beträgt zwischen 65 und 67 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens, maximal aber 1800 Euro – damit ersetzt es den Lohn ja nur zum Teil. Viele können es sich schlicht nicht leisten, wenn das Haupteinkommen für längere Zeit wegfällt.“
Auch bei Familie Burghardt spielte das Geld eine bedeutende Rolle bei der Planung der Vätermonate. „Wir haben gerade erst ein Haus gekauft. Länger können wir nicht auf mein Einkommen verzichten“, erzählt Tillmann Burghardt. Zudem wäre eine längere Auszeit auch im Job schwierig gewesen. „Ich bin erst ein Jahr in meinem neuen Beruf und habe Führungsverantwortung“, sagt der 37-Jährige.
Frau unter Rechtfertigungszwang
„Obwohl ich nur kurz zu Hause bin, werde ich manchmal behandelt wie ein Exot“, erzählt Burghardt. Dass ein Mann die Eingewöhnung in der Krippe übernehme, sei wohl eher selten. Während seine Frau Eva, die nach einem Jahr wieder fast Vollzeit arbeite, oftmals in Rechtfertigungszwang komme, werde er gelobt. „Toll, dass du dich das traust, sagen manche im Bekanntenkreis.
Die ungleiche Verteilung liegt nicht zuletzt an den Müttern selbst: „Ein Drittel der Frauen will sich vorrangig allein ums Kind kümmern und beansprucht damit einen Großteil der Elternzeit für sich“, sagt Rost. In der Fachsprache heißt dies Maternal Gatekeeping. Der Begriff beschreibt ein Verhalten von Müttern, die jedes väterliche Engagement ausbremsen. Die Mutter wird wortwörtlich zum Türsteher am Kinderzimmer.
Dabei profitierten die Väter von der Elternzeit, so Sozialwissenschaftler Rost. „Väter genießen die Zeit mit der Familie und erzählen im Betrieb begeistert davon. Damit stecken sie andere an.“Beruflich würden Männer meist zu Unrecht fürchten, durch eine längere Väterzeit den Anschluss zu verlieren. „Väter sollten sich nicht gleich selbst beschränken, sondern den Mut aufbringen und mit ihrem Chef über mögliche Lösungen sprechen. Oft findet sich ein Weg.“Denn auch der Betrieb habe Vorteile: Väter, die Haushalt und Kinder alleine stemmen, kommen laut Rost anders in den Job zurück – mit gestärkter Persönlichkeit und mehr sozialer Kompetenz.
Und der Nachwuchs? Profitiert von einem aktiven Papa, so Rost. „Der Vater erlebt wertvolle Entwicklungsschritte seines Kindes und baut eine intensive Bindung auf.“So sieht das auch Tillmann Burghardt: „Auch wenn uns jetzt Geld fehlt: Die Zeit mit meinen Kindern ist unglaublich wertvoll.“