Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Netzwerken für die Wissenschaft
350 Nachwuchsökonomen aus aller Welt treffen sich derzeit in Lindau – Austausch untereinander ist am wichtigsten
LINDAU - Der Duft nach Kaffee erfüllt den Raum. Junge Menschen stehen an weiß gedeckten Tischchen beieinander. Sie scherzen und lachen. Chic sehen sie alle aus, tragen Hemden, Blusen, Anzüge oder Kostüme. Die Stimmung ist fröhlich. Wie bei einer Gartenparty mit guten Freunden.
Doch die rund 350 jungen Menschen aus 66 verschiedenen Ländern kennen sich kaum. Sie sind Teilnehmer des sechsten Nobelpreisträgertreffens der Wirtschaftswissenschaften in Lindau. Sie wurden in einem mehrstufigen Auswahlverfahren weltweit unter Nachwuchsökonomen ausgewählt, um bei der Tagung am Bodensee dabei sein zu dürfen. Die teilnehmenden Nachwuchsforscher sind exzellente Studierende, Doktoranden und Postdoktoranden unter 35 Jahren. Vier Tage lang lauschen sie Vorträgen von Nobelpreis- trägern und diskutieren über ihre eigenen Forschungen.
Eine große Ehre sei das, sagt Francisco Costa. Er ist für die Konferenz extra aus Brasilien angereist. „Mich interessiert vor allem die Diskussion über den Klimawandel, die hier geführt wird. Denn darüber forsche ich auch gerade.“Von der Tagung erhofft er sich Inspiration für seine eigene Arbeit über die Entwicklung der Wirtschaft. Wenn er sich keinen Vortrag anhört, arbeitet er an seiner Promotion weiter. Genauso wichtig wie Impulse für seine eigene Forschung ist ihm während der Konferenz aber auch der Austausch mit anderen jungen Wissenschaftlern. „Ich habe hier zufällig alte Bekannte getroffen, die ich noch von meiner Studienzeit aus London kenne“, erzählt Costa. Das habe ihn sehr gefreut. Es ist das erste Mal, dass der junge Brasilianer in Süddeutschland ist. Lindau sei zwar etwas kleiner als seine Heimatstadt Rio de Janeiro, aber genauso schön, versichert er: „Am Samstag nehme ich mir auf jeden Fall noch die Zeit, schwimmen zu gehen, bevor ich nach Hause fliege.“
Eine nicht ganz so weite Anreise zur Tagung hatte André Seidel. Er hat gerade seine Doktorarbeit an der Technischen Uni in Dresden abgeschlossen. Am Abend wird er einer von 80 Nachwuchsforschern sein, die ihre eigene Arbeit vor Nobelpreisträgern vorstellen dürfen. Die Aufregung hält sich aber in Grenzen: „Ich hab hin und wieder schon mit einem Preisträger auf Konferenzen sprechen können. Und sie versichern immer, dass sie auch nur mit Wasser kochen.“Für ihn fühlt sich die Tagung in Lindau wie ein internationales Klassentreffen an. „Der Austausch hier findet über viele Ebenen statt. Man redet nicht nur über die Arbeit, sondern auch über die verschiedenen Lebensphasen, in denen man sich gerade befindet.“Lange ist er dann auch nicht alleine mit seinem Kaffee am Stehtisch vor dem Vortragsraum. Ein flüchtig bekannter Kollege kommt vorbei, um sich in der Pause zwischen zwei Vorträgen zu ihm zu gesellen. Alleine sei man hier nie, bestätigt Seidel und lacht.
Das Motto der Tagung ist eindeutig Netzwerken, sagt auch Léa Marchal. Die junge Französin hat schon in Kiel gearbeitet und trifft in Lindau alte Kollegen wieder. Schnell wechselt sie zwischen Französisch, Eng- lisch und ein paar Brocken Deutsch. „Bisher hat mich aber noch niemand gefragt, an was ich gerade arbeite. Meistens geht es um andere Themen.“Sie freut sich vor allem darüber, bei der Konferenz ihre Sicht auf die Wirtschaftswissenschaften erweitern zu können. „Es ist inspirierend, hier dabei zu sein.“
Die Kaffeepause ist vorbei. Der nächste Vortrag von Nobelpreisträger Christopher A. Sims geht los. Die 350 Nachwuchsforscher strömen zurück in den Vortragsraum. Vielleicht kommt der ein oder andere in einigen Jahren zurück, um selbst eine Inspiration für junge Wissenschaftler zu sein.