Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Über einen Verkannten
Jörg Bischoff nähert sich in Laichingen dem Schriftsteller Thaddäus Troll.
LAICHINGEN (grs) - Mit rund 50 Gästen und einem abwechslungsreichen Programm hat der Förderverein der Stadtbücherei Laichingen am vergangenen Wochenende sein 35-jähriges Bestehen gefeiert. Von Jörg Bischoff erfuhren die Anwesenden im Alten Rathaus viel Neues über den populären Schriftsteller Thaddäus Troll. Winfried Meyer-Hentschel, seine Ehefrau Luise und Inge Müller-Alefs sorgten mit Gesang von Moritaten und Leierkastenmusik für eine Auflockerung des Abends.
Die Vorsitzende des Fördervereins, Marlene Häberle, begrüßte die Gäste in Erinnerung an den verstorbenen langjährigen Vorsitzenden Wolfgang Roth mit den von ihm immer gebrauchten Worten „Liebe Freunde des Buches“. Sie bedankte sich auch bei den Sponsoren des Abends, der Bäckerei Kirsamer, Silke Reh vom HMarkt und bei Burkhardt Säfte aus Machtolsheim. Grußworte der Stadt überbrachte Stadträtin Gisela Steinestel, welche aber betonte, auch und primär aus eigenem Antrieb als eine „Freundin des Buches und der Bücherei“gekommen zu sein.
Nach einem Abriss über die Geschichte des Fördervereins durch Gabriele Reulen-Surek, welcher die Bücherei gegründet und etliche Jahre betrieben hatte, wurden die Anwesenden auf eine kurze Zeitreise in die Welt der Spielleute und Bänkelsänger mitgenommen. Wie Meyer-Hentschel ausführte, waren in Zeiten, in denen es noch keine Zeitungen gab, die Sänger auf öffentlichen Märkten oft die wichtigsten Verbreiter von Nachrichten.
Er litt unter Depressionen
Jörg Bischoff, der als Kind nach der Bombardierung Ulms und dem frühen Tod seines aus Laichingen stammenden Vaters mit der Mutter Angelika Bischoff-Luithlen und seinen vier Geschwistern nach Feldstetten gezogen war und in Laichingen zur Schule ging, trug mit der Lesung ohne Honorar aus seinem Buch über Thaddäus Troll („Thaddäus Troll: Eine schwäbische Seele“) entscheidend zum Gelingen des Abends bei. Das Publikum erfuhr viel Neues über den Schriftsteller, der durch sein Buch „Deutschland deine Schwaben“in den 60er- und 70er-Jahren in humorvoller Weise viele Eigenarten des schwäbischen Lebens verständlich machte. Was viele der Anwesenden erstaunte, war die Tatsache, dass Troll unter starken Depressionen litt und schließlich im Jahr 1980 sein Leben beendete. Bis heute wird, dieser Tatsache ungeachtet, der Schriftsteller zumeist nur als der humoristische Darsteller der Schwächen des Schwäbischen gesehen. Günter Grass meinte, die Menschen hätten nie den Melancholiker und Depressiven gesehen, der Troll in Wirklichkeit war, sondern immer nur den Satiriker und Spottvogel. So nahm Troll in einer spöttischen Weise auch die eigene Trauerfeier nach seinem Tode in einem literarischen Nachruf vorweg.
In seinem akribisch recherchierten Buch über Thaddäus Troll lässt Jörg Bischoff auch eine dunkle Seite der Biographie des jungen Hans Bayer – so der eigentliche Name von Thaddäus Troll – nicht aus. Der junge Hans Bayer arbeitete schon im Krieg als Journalist. So wurden Fotos aus seiner Propagandakompanie gefunden, die mit äußerst Juden und Menschen verachtenden Unterschriften versehen waren. Bayer alias Troll hat wenig über diese Zeit gesprochen, aber nach Recherchen der Berliner Stiftung „Topographie des Terrors“scheint sicher zu sein, dass er dies selbst verfasst hat.
„Wenn ich hochdeutsch schreibe, meine ich am Flügel zu sitzen. Schreibe ich dagegen in meiner Muttersprache, so kann ich viel mehr in die Tasten greifen, habe mehr Modulationsmöglichkeiten, eine größere Skala von Tönen und komme mir vor wie ein Orgelspieler.“ So äußert sich Thaddäus Troll, nachdem er sich mit dem Schreiben der Mundart angefreundet hatte. Allerdings kostet es ihn zunächst Überwindung. Als er 1966 vom Hoffmann und Campe-Verlag gefragt wird, ein Buch über die Schwaben zu schreiben, lehnt er es zunächst unwirsch ab, denn er will kein „Heimatschriftsteller“sein. Nach einer Nacht jedoch sagt er zu – und landet einen Bestseller. Zunächst wird das Buch „Deutschland, deine Schwaben“in einer Auflage von 12 000 Exemplaren gedruckt (1967), ist aber schnell ausverkauft. Immer neue Auflagen werden nachgeliefert. Gegenwärtig wurde mit der 24. Auflage eine Stückzahl von 25 000 Büchern erreicht. Ab diesem Buch schreibt Hans Bayer unter dem Pseudonym Thaddäus Troll. Es folgen weitere Bücher unter Verwendung des Schwäbischen, so das Aufklärungsbuch „Wo kommet denn dia kloine Kender her?“sowie eine schwäbische Fassung von Molières Stück „Der Geizige“unter dem Titel „Der Entaklemmer“, welches noch im gleichen Jahr 1976 unter dem Intendanten Claus Peymann an den Württembergischen Staatstheatern in Stuttgart aufgeführt wird.
Die Zuhörer dankten Jörg Bischoff mit langem und herzlichem Beifall für die Einblicke, die er in das Schaffen und das Wesen von Thaddäus Troll gewährt hatte. Neben einem guten Wein wurde Bischoff überraschend noch ein Ölgemälde seines Vaters Eugen Bischoff überreicht, welches den Blick vom Laichinger Alenberg nach Nordosten Richtung Wassertal zeigt. Das Leierkastentrio rundete den Abend mit dem „Laichinger Heimatlied“ab, welches der frühere Schulrektor Rinker verfasst hatte. Bereits vor mehr als 200 Jahren hatte ein einfacher Weber und Totengräber die Vision einer Bibliothek in Laichingen. Dieser Mann, Christoph Laichinger, soll, obwohl arm an materiellen Gütern, eine überaus reiche Sammlung von 54 Büchern besessen haben. Diese sollten nach seinem Tod 1786 an seine Söhne vererbt werden und später auch an deren Kinder. In seinem Testament hatte er eine Vision „von einer Bibliothek, in die man schlicht hingehen könnte, um ein Buch gegen das andere auszutauschen, um dann ohne Ende und ohne Grenzen weiterlesen zu können...“Hans Medick, der über Laichingen forschte, hatte dies vor 34 Jahren herausgefunden. Welch’ lange Strecke haben die Laichinger damals – also 1983 – noch gebraucht, bis sie eine öffentliche Bücherei bekamen. 1987 war es dann soweit.