Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Flohmarkt – eine echte Leidenschaft?
Man muss es mögen wie saure Kutteln oder räsen Most, was bekanntlich auch Geschmacksache ist:
Wem’s davor graust, frühmorgens beim ersten Büchsenlicht mit Stirn- oder Taschenlampe bei meist frischen Temperaturen an überaus seltsamen Ständen noch seltsameres Sortiment zu studieren, der sollte sich fernhalten von Flohmärkten. Wer dagegen Lust hat, das eine oder andere Schnäppchen zu machen (so er Glück hat) und mit Leuten zu sprechen, die sich dem geschniegelten Konsumverhalten zeitgeistiger Verkäuferinnen konsequent verweigern, der ist absolut richtig bei einem der immer zahlreicher werdenden Flohmärkte. Es sei nicht verschwiegen, dass sich unter dem Begriff Flohmarkt (also Trödel) immer mehr Anbieter von Gurkenhobeln, Sonnenbrillen und Ledergürteln verbergen. Es gibt sie aber auch: noch wirkliche Trödler, wirkliche Glücksgriffe und die wirklichen Markt-Glücksmomente.
Natürlich kann es regnen, selbstverständlich kann man an einen missmutigen Fieranten mit einem suboptimalen Angebot geraten oder völlig überteuerten Krempel kaufen, doch die Chance auf einen – natürlich seltenen – Kaufglücksmoment ist immer noch vorhanden. Es ist alles drin, vor allem Überraschendes. Flohmarkt ist wie das richtige Leben, er kann süchtig machen.
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Laut einer schlauen Statistik besitzt jeder durchschnittliche Mitteleuropäer 10 000 Dinge, in Worten: zehntausend. Man muss nur mal über einen Flohmarkt schlendern, um den schauderhaften Eindruck zu bekommen: Die Dunkelziffer liegt weit höher. Vermut- lich sind es noch deutlich mehr Besitztümer, die jeder und jede einzelne so hortet – vom nie gebrauchten Hosenknopf über den kitschigen Kerzenhalter bis zu dem müffelnden alten Schrank im Keller (Wo kommt der eigentlich her?). Man muss kein Mathematik-Nobelpreisträger sein, um sagen zu können: 10 000 ist zu viel. Definitiv. Besitz belastet. Aber was wir einmal in den Krallen haben, das lassen wir Mensch gewordenen
Von Rolf Schneider
Von Petra Lawrenz
Eichhörnchen einfach sehr ungern wieder los. Lieber verbuddeln wir es, im Schrank, im Keller, auf dem Dachboden und flüstern dabei leise: „Ist doch noch gut. Kann ich ja noch brauchen.“Seien wir ehrlich: Das ist die größte Lüge unseres vollgerümpelten Erdendaseins. Direkt gefolgt von der zweitgrößten, dem Mantra aller Flohmärktler: „Können andere noch brauchen.“Können sie nicht. Jedenfalls nicht, was mich betrifft, vielen Dank. Mein Bedarf an zerlesenen Mickey-Maus-Heftchen, Zinnfigürchen und komisch riechenden Blechdosen geht gegen Null. Mein Traum vom Glück ist eine leer geräumte Abstellkammer.
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