Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Auch Russland wird ein „Huh!“hören
Islands Fußballmärchen geht weiter – Auch Serbien qualifiziert sich für WM
REYKJAVIK (SID/dpa) - Das Huh! schallte tausendfach durch die Straßen von Reykjavik, bis in die frühen Morgenstunden feierten die Isländer mit dem alten Wikingerschlachtruf ihre Fußballhelden. Nach dem 2:0 (1:0) gegen den Kosovo hat sich Island zum ersten Mal für eine WM qualifiziert – das isländische Fußballmärchen geht weiter. Den TVReporter Haukur Hardarson übermannten direkt nach dem Schlusspfiff die Gefühle. „Als ich noch ein kleiner Junge war, habe ich diesen albernen Traum gehabt, dass Island eines Tages zur WM fährt. Jetzt ist dieser Traum wahr geworden“, sagte er. Gudni Bergsson, der Präsident des isländischen Fußballverbandes, bemerkte: „Falls ich träumen sollte, weckt mich bitte nicht auf!“
Auch Staatspräsident Gudni Johannesson stimmte in den überschäumenden Jubel ein. „Enorme Freude und Stolz erfüllen mich, dass ich Zeuge dieser wunderbaren Feier werden durfte“, sagte er, „das macht unser Land so stark. Wir sind hier häufig gegensätzlicher Meinung – deshalb ist es fantastisch, dass dieses Team uns eint.“
Nach Frankreich 2016 hört auch Russland ein „Huh!“. Nie hat sich ein Land mit weniger Einwohnern (333 000) für eine WM qualifiziert. „Unglaublich“, sagte Nationaltrainer Heimir Hallgrimsson. Der 50-Jährige war derart tief bewegt, dass er seine Assistenten einen Teil der Pressefragen nach dem Abpfiff beantworten ließ. „Maradona, Pelé“, stammelte Hallgrimsson aber selbst, „und Aron Einar Gunnarsson ...“
Der Kapitän von Cardiff City führte wie schon bei der EM im vergangenen Jahr die Party an. Bengalische Feuer rauchten auf der Tribüne. „Das Wikingerschiff nimmt Kurs auf Russland“, schrieb sogar die „Washington Post“. Island hat seit dem verlorenen Relegationsspiel gegen Kroatien für die WM 2014 in Brasilien eine großartige Entwicklung genommen. An deren vorläufigen Höhepunkt steht nun die erstmalige WM-Teilnahme. „Wir haben den Berg erklommen und blicken nun zum nächsten. Wir ziehen unsere Wanderstiefel an und gehen los“, beschrieb Hallgrimsson die kommende Aufgabe. Im vergangenen Jahr hatte Island bei der Europameisterschaft bereits für Furore gesorgt und war erst im Viertelfinale mit 2:5 an Gastgeber Frankreich gescheitert.
In fernen Belgrad fiel der Jubel über die WM-Teilnahme Serbiens dagegen ungewöhnlich gedämpft aus. Anders als vor acht Jahren, als nach der erfolgreichen Qualifikation für Südafrika das ganze Land Kopf stand, mischte sich diesmal Skepsis in den Jubel. Zu zittrig war das 1:0 gegen Georgien, zu enttäuschend die schwachen Leistungen der letzten Wochen. „Wir haben nicht geglänzt“, schrieb die Tageszeitung „Vecernje Novosti“, „aber jetzt strahlen wir.“Siegtorschütze Aleksandar Prijovic war dennoch überwältigt: „Von solchen Momenten habe ich als Kind geträumt.“Der 27-Jährige gebürtige Schweizer, der in den Nachwuchsmannschaften noch für die Eidgenossen gespielt hatte, erzielte sein erstes Tor für das Heimatland seiner Eltern – und schoss Serbien damit zur WM.