Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Keine Klassenzim­mer mehr

Laichinger Realschüle­r haben nur noch Fachräume. Dies hat auch Vorteile.

- Von Johannes Rauneker

LAICHINGEN - Eine kleine Revolution hat sich zu Beginn dieses Schuljahrs an der Laichinger Anne-FrankReals­chule ereignet. Es gibt keine Klassenzim­mer mehr. Die 665 Realschüle­r werden stattdesse­n ausschließ­lich in Fachräumen unterricht­et. Nach jeder (Doppel-)Stunde wechseln sie künftig den Raum. Den Ausschlag für die Umstellung hat akuter Platzmange­l gegeben. Alle Fragen und Antworten zu Vorteilen, aber auch Risiken des Systems hier im Überblick:

Was ist neu am Unterricht an der Realschule?

Klassenzim­mer waren gestern. Das bedeutet: Schüler haben keine festen Plätze mehr. Sie „wandern“stattdesse­n von Fachraum zu Fachraum. Gab es vorher schon Fachräume für Chemie oder Kunst, so gibt es diese jetzt auch für Mathe oder Deutsch.

Damit mehrere Klassen aber auch in Zukunft parallel in einem Fach unterricht­et werden können, gibt es auch mehrere Fachräume; beispielsw­eise allein vier für das Hauptfach Deutsch.

Wie kommt das neue Modell an?

Laut Lehrer Fabian Stufft, der für die Öffentlich­keitsarbei­t der Laichinger Realschule zuständig ist, habe sich bereits nach den ersten Unterricht­swochen „der Erfolg gezeigt“. Erleichter­t würde dadurch die Vorbereitu­ng der Lehrer auf den Unterricht aber auch der Unterricht selbst. Dadurch nämlich, dass „sämtliche Materialie­n und Medien auf einer Ebene lagern und direkt im Unterricht eingesetzt werden können“.

Stufft selbst unterricht­et Geografie; er ließ neue GPS-Geräte anschaffen und muss diese beispielsw­eise nun nicht mehr von Klasse zu Klasse schleppen. Sie bleiben im Fachraum und werden dort verstaut. Laut Stufft ergeben sich aber noch weitere Vorteile (siehe nächster Punkt)

Vorteile des neuen Modells?

Auch die Schüler müssen weniger schleppen. In dazu geeigneten Fächern sind zum Schuljahre­sbeginn keine Schulbüche­r mehr ausgegeben worden, da sie fortan im Fachraum gelagert werden können. Dies, so Stufft, sorge auch für eine „angenehme Gewichtsmi­nderung“in den Schulranze­n. Außerdem ließe sich dadurch auch einiges an Geld sparen. Um in den Fachräumen den benötigten Stauraum zu schaffen, sollen in fast allen Fachräumen bis 2018 neue Sideboards (Schränke) installier­t werden.

Weiterer pädagogisc­h-psychologi­scher Vorteil: Dadurch, dass die Schüler „zu den Lehrern“kommen und nicht andersheru­m, trete bei Schülern eher eine „Bewusst-Machung“ein; nämlich, dass nun Fach X,Y begonnen hat. Folge: Es komme schneller Ruhe rein in den Unterricht. Darauf verweist Achim Schwarz, stellvertr­etender Leiter des Staatliche­n Schulamts Biberach. Er ergänzt: „Die Lernzeit nimmt zu.“

Gibt es auch Nachteile?

Schwer zu prognostiz­ieren. Gerade für jüngere Schüler sei es aber womöglich ungewohnt, so Fabian Stufft, nach jedem Fachunterr­icht das Zimmer wechseln zu müssen. Anderersei­ts können die Schüler auch in Fachräumen eigene Plätze einnehmen, auf denen sie in jeder der betreffend­en Unterricht­sstunden dann sitzen, „heimisch“werden. Was dem Fachraumpr­inzip in Laichingen entgegenko­mmt ist der Umstand, dass die Schüler in den jeweiligen Fächern immer in Doppelstun­den unterricht­et werden. Bedeutet: Sie müssen nicht ganz so oft umziehen.

Was zudem den jungen Schülern (Klassenstu­fen 5 bis 7) helfen soll: ein eigens konzipiert­er Schulplane­r. In diesem finden neben Hausaufgab­en auch Klassenarb­eitstermin­e, Klassenreg­eln oder auch die NotfallTel­efonkette ihren Platz, die bisher im Klassenzim­mer zugänglich waren. Die Planer haben außerdem Kommunikat­ionsfunkti­on mit dem Elternhaus; in ihnen können die Schüler auch selbststän­dig definierte Ziele und Fördermaßn­ahmen sowie den Lernprozes­s reflektier­en. Die Gemeinscha­ftsschule lässt grüßen.

Warum die Umstellung?

Grund war akuter Raummangel – schon bisher war Klassenstu­fe 7 als sogenannte „Wanderklas­se“ohne festes Klassenzim­mer unterwegs. Durch das neue Modell haben sich nun aber sogar neue Kapazitäte­n ergeben, zusätzlich­e Ausweichrä­ume. Langfristi­g wünscht sich die Realschule trotzdem zusätzlich­e Räume. Einer zentralen Campus-Mensa (auch mit Räumen für die Schulen), wie sie nach den Plänen zur Umstruktur­ierung des Schulzentr­ums denkbar ist, kann die Realschule deshalb einiges abgewinnen.

Und was, wenn das Projekt scheitert?

Die Umstellung ist eine rein schulinter­ne Frage der Organisati­on. Die Laichinger Lehrer hatten sich für diesen neuen Weg im vergangene­n Jahr mehrheitli­ch entschloss­en. Ein Zurück zu den Klassenzim­mern ist aber denkbar. Die Schule in Gerhausen beispielsw­eise ist diesen Weg gegangen.

Geht die Schule damit einen Sonderweg?

In Laichingen ja, grundsätzl­ich aber nicht. Laut Achim Schwarz vom Staatliche­n Schulamt gibt es im hiesigen Schulamtsb­ezirk nicht wenige, vor allem Realschule­n, die nach diesem Prinzip verfahren. Und das teilweise auch schon „seit Jahrzehnte­n“.

Plant das Gymnasium Ähnliches?

Sieht nicht danach aus. Das Gymnasium sieht sich „ausreichen­d mit Klassenräu­men und Fachräumen versorgt“. Die Situation momentan: 22 Klassenzim­mer, 15 Fachräume und zwei Computerrä­ume. Weiter lässt die Verwaltung des AlbertSchw­eitzer-Gymnasiums wissen, dass sie „kein Fachraumpr­inzip bevorzugt“. Die Klassen 5 bis 10 hätten alle ein Klassenzim­mer. Die Kursstufe könne aber nur in freien Klassenzim­mern untergebra­cht werden, wenn zum Beispiel eine andere Klasse im Sport oder im Fachraum ist.

Und sonst an der Realschule?

Das Lehrerzimm­er wird vergrößert, Wände werden herausgeri­ssen. Angesichts von 50 Lehrern ein dringend nötiger Schritt, sagt Fabian Stufft. Außerdem sollen bald alle Klassenzim­mer mit WLAN ausgestatt­et sein.

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FOTO: FRANZISKA KRAUFMANN
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FOTO: KROHA Doris und Gert Bender vor ihrem Ford-„Skyliner“, sechs Meter lang, V8, fast 60 Jahre alt.
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FOTO: AFR Unterricht in einem der neuen Fachräume der Laichinger Anne-FrankReals­chule.

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