Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Keine Klassenzimmer mehr
Laichinger Realschüler haben nur noch Fachräume. Dies hat auch Vorteile.
LAICHINGEN - Eine kleine Revolution hat sich zu Beginn dieses Schuljahrs an der Laichinger Anne-FrankRealschule ereignet. Es gibt keine Klassenzimmer mehr. Die 665 Realschüler werden stattdessen ausschließlich in Fachräumen unterrichtet. Nach jeder (Doppel-)Stunde wechseln sie künftig den Raum. Den Ausschlag für die Umstellung hat akuter Platzmangel gegeben. Alle Fragen und Antworten zu Vorteilen, aber auch Risiken des Systems hier im Überblick:
Was ist neu am Unterricht an der Realschule?
Klassenzimmer waren gestern. Das bedeutet: Schüler haben keine festen Plätze mehr. Sie „wandern“stattdessen von Fachraum zu Fachraum. Gab es vorher schon Fachräume für Chemie oder Kunst, so gibt es diese jetzt auch für Mathe oder Deutsch.
Damit mehrere Klassen aber auch in Zukunft parallel in einem Fach unterrichtet werden können, gibt es auch mehrere Fachräume; beispielsweise allein vier für das Hauptfach Deutsch.
Wie kommt das neue Modell an?
Laut Lehrer Fabian Stufft, der für die Öffentlichkeitsarbeit der Laichinger Realschule zuständig ist, habe sich bereits nach den ersten Unterrichtswochen „der Erfolg gezeigt“. Erleichtert würde dadurch die Vorbereitung der Lehrer auf den Unterricht aber auch der Unterricht selbst. Dadurch nämlich, dass „sämtliche Materialien und Medien auf einer Ebene lagern und direkt im Unterricht eingesetzt werden können“.
Stufft selbst unterrichtet Geografie; er ließ neue GPS-Geräte anschaffen und muss diese beispielsweise nun nicht mehr von Klasse zu Klasse schleppen. Sie bleiben im Fachraum und werden dort verstaut. Laut Stufft ergeben sich aber noch weitere Vorteile (siehe nächster Punkt)
Vorteile des neuen Modells?
Auch die Schüler müssen weniger schleppen. In dazu geeigneten Fächern sind zum Schuljahresbeginn keine Schulbücher mehr ausgegeben worden, da sie fortan im Fachraum gelagert werden können. Dies, so Stufft, sorge auch für eine „angenehme Gewichtsminderung“in den Schulranzen. Außerdem ließe sich dadurch auch einiges an Geld sparen. Um in den Fachräumen den benötigten Stauraum zu schaffen, sollen in fast allen Fachräumen bis 2018 neue Sideboards (Schränke) installiert werden.
Weiterer pädagogisch-psychologischer Vorteil: Dadurch, dass die Schüler „zu den Lehrern“kommen und nicht andersherum, trete bei Schülern eher eine „Bewusst-Machung“ein; nämlich, dass nun Fach X,Y begonnen hat. Folge: Es komme schneller Ruhe rein in den Unterricht. Darauf verweist Achim Schwarz, stellvertretender Leiter des Staatlichen Schulamts Biberach. Er ergänzt: „Die Lernzeit nimmt zu.“
Gibt es auch Nachteile?
Schwer zu prognostizieren. Gerade für jüngere Schüler sei es aber womöglich ungewohnt, so Fabian Stufft, nach jedem Fachunterricht das Zimmer wechseln zu müssen. Andererseits können die Schüler auch in Fachräumen eigene Plätze einnehmen, auf denen sie in jeder der betreffenden Unterrichtsstunden dann sitzen, „heimisch“werden. Was dem Fachraumprinzip in Laichingen entgegenkommt ist der Umstand, dass die Schüler in den jeweiligen Fächern immer in Doppelstunden unterrichtet werden. Bedeutet: Sie müssen nicht ganz so oft umziehen.
Was zudem den jungen Schülern (Klassenstufen 5 bis 7) helfen soll: ein eigens konzipierter Schulplaner. In diesem finden neben Hausaufgaben auch Klassenarbeitstermine, Klassenregeln oder auch die NotfallTelefonkette ihren Platz, die bisher im Klassenzimmer zugänglich waren. Die Planer haben außerdem Kommunikationsfunktion mit dem Elternhaus; in ihnen können die Schüler auch selbstständig definierte Ziele und Fördermaßnahmen sowie den Lernprozess reflektieren. Die Gemeinschaftsschule lässt grüßen.
Warum die Umstellung?
Grund war akuter Raummangel – schon bisher war Klassenstufe 7 als sogenannte „Wanderklasse“ohne festes Klassenzimmer unterwegs. Durch das neue Modell haben sich nun aber sogar neue Kapazitäten ergeben, zusätzliche Ausweichräume. Langfristig wünscht sich die Realschule trotzdem zusätzliche Räume. Einer zentralen Campus-Mensa (auch mit Räumen für die Schulen), wie sie nach den Plänen zur Umstrukturierung des Schulzentrums denkbar ist, kann die Realschule deshalb einiges abgewinnen.
Und was, wenn das Projekt scheitert?
Die Umstellung ist eine rein schulinterne Frage der Organisation. Die Laichinger Lehrer hatten sich für diesen neuen Weg im vergangenen Jahr mehrheitlich entschlossen. Ein Zurück zu den Klassenzimmern ist aber denkbar. Die Schule in Gerhausen beispielsweise ist diesen Weg gegangen.
Geht die Schule damit einen Sonderweg?
In Laichingen ja, grundsätzlich aber nicht. Laut Achim Schwarz vom Staatlichen Schulamt gibt es im hiesigen Schulamtsbezirk nicht wenige, vor allem Realschulen, die nach diesem Prinzip verfahren. Und das teilweise auch schon „seit Jahrzehnten“.
Plant das Gymnasium Ähnliches?
Sieht nicht danach aus. Das Gymnasium sieht sich „ausreichend mit Klassenräumen und Fachräumen versorgt“. Die Situation momentan: 22 Klassenzimmer, 15 Fachräume und zwei Computerräume. Weiter lässt die Verwaltung des AlbertSchweitzer-Gymnasiums wissen, dass sie „kein Fachraumprinzip bevorzugt“. Die Klassen 5 bis 10 hätten alle ein Klassenzimmer. Die Kursstufe könne aber nur in freien Klassenzimmern untergebracht werden, wenn zum Beispiel eine andere Klasse im Sport oder im Fachraum ist.
Und sonst an der Realschule?
Das Lehrerzimmer wird vergrößert, Wände werden herausgerissen. Angesichts von 50 Lehrern ein dringend nötiger Schritt, sagt Fabian Stufft. Außerdem sollen bald alle Klassenzimmer mit WLAN ausgestattet sein.