Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Varta startet gut an der Börse
Der schwäbische Batteriehersteller aus Ellwangen kehrt fulminant auf das Parkett zurück
FRANKFURT (lsw) - Der schwäbische Batteriehersteller Varta hat einen erfolgreichen Start an der Frankfurter Börse hingegelegt. Am Donnerstagmorgen waren die Papiere zum Auftakt des ersten Börsentages der Firma aus Ellwangen gut 24 Euro wert. Viele Anleger machten dann zwar Kasse und der Kurs fiel im Laufe des Vormittags auf knapp unter 20 Euro. Der Börsengang brachte Varta etwa 150 Millionen Euro ein. Das Geld will das Unternehmen von der Ostalb in den Ausbau der Produktionskapazitäten stecken, hauptsächlich in Deutschland.
FRANKFURT - Energie für die Börse gab es am Donnerstag an und vor der Frankfurter Wertpapierbörse: Da wurden Nüsse und Müsli-Riegel in blau-gelber Verpackung verteilt – zur Feier der fulminanten Rückkehr von Varta auf das Parkett. Aber die Power kam vor allem aus der Notierung: Der erste Kurs des Batterieherstellers aus dem schwäbischen Ellwangen (Ostalbkreis) lag bei 24,25 Euro, also knapp 40 Prozent über dem Ausgabepreis von 17,50 Euro.
Im weiteren Verlauf gab der Kurs zwar nach, lag zum Handelsschluss mit 20,05 Euro aber immer noch knapp 15 Prozent über dem Ausgabepreis. „Das ist ein tolles Gefühl, wir sind sehr zufrieden“, sagte VartaChef Herbert Schein. Man habe schon am Anfang der Zeichnungsfrist gesehen, dass es ein hohes Interesse der Anleger für die Aktie gebe, so Schein. Deshalb hat Varta die Angebotsphase auch verkürzt. Das Börsendebüt fand fast eine Woche vor dem ursprünglich geplanten Termin am 25. Oktober statt.
Die hohe Nachfrage sei eine „schöne Bestätigung“für den Kurs des Unternehmens, das vor allem Mikrobatterien für Hörgeräte und Kopfhörer aber auch dezentrale Energiespeicher für die Energiewende herstellt. „Wir sind in einem Zukunftsfeld aktiv“, erklärt der Vorstandschef den Erfolg der neuen Varta AG. Das gelte für Kopfhörer wie für Hörgeräte: Der Trend gehe hin zu immer kleineren schnurlosen Kopfhörern. Für die entwickelt Varta immer kleinere wiederaufladbare Lithium-IonenBatterien mit hoher Energiedichte. Mikrobatterien werden aber auch für Hörgeräte benötigt – ebenfalls ein Wachstumsmarkt in einer alternden Gesellschaft wie der deutschen. Noch immer besäßen viele Menschen, die schlecht hören, kein Hörgerät – Varta sieht deshalb erhebliches Potenzial in diesem Segment.
Insgesamt spülte der Börsengang 233,5 Millionen Euro in die Unternehmenskasse. 83 Millionen Euro davon fließen an den österreichischen Investor Michael Tojner, dem Varta über seine schweizerische Holding Montana Tech gehört. Er hält auch nach dem Gang aufs Parkett die Mehrheit an dem Unternehmen, der Streubesitz liegt bei rund 35 Prozent. Der Hauptteil des Emissionserlöses – 150,5 Millionen Euro – kommt Varta selbst zugute. Das Unternehmen will sie in den Ausbau der Produktion stecken. Die Batteriezellen werden in Deutschland am Standort Ellwangen produziert, montiert werden die Batterien aber auch in Rumänien, in China und in Indonesien. Knapp die Hälfte seiner Produktion verkauft Varta in Europa, den Rest in den USA und Asien.
130-jährige Geschichte
Die Ursprünge des Unternehmens reichen bis ins Jahr 1887 zurück, als Adolf Müller in Hagen die „Accumulatoren-Fabrik Tudorschen Systems Büsche & Müller OHG“gründete. 1904 wurde die Tochtergesellschaft Varta Accumulatoren GmbH in Berlin eingetragen, mit der das heutige Unternehmen jedoch nicht mehr viel gemein hat. Varta – die Abkürzung steht für „Vertrieb, Aufladung und Reparatur transportabler Akkumulatoren“– gehörte lange zum Reich der Industriellenfamilie Quandt.
Sie zerschlugen das Unternehmen im Jahr 2002: Das größere Geschäft mit den Autobatterien ging damals an den US-amerikanischen Autozulieferer Johnson Controls, das Geschäft mit Haushaltsbatterien wurde an Rayovac, heute Spectrum Brands, verkauft. Übrig blieb die Sparte Mikrobatterien, die es in der Fotokamera von Neil Armstrong sogar bis auf den Mond geschafft haben. Für diesen Geschäftszweig hatte der heutige Großaktionär Tojner im Jahr 2007 etwa 30 Millionen Euro bezahlt, später kaufte er auch die Holding Varta AG hinzu und nahm sie von der Börse. Auf Basis der Kurse vom Donnerstag lag die Marktkapitalisierung, der aktuelle Börsenwert des Unternehmens also, bei knapp 766 Millionen Euro. Ende November vergangenen Jahres hatte Varta schon einmal einen Anlauf an die Börse genommen, die Emission jedoch dann abgesagt – das Marktumfeld hatte sich damals verschlechtert.
Davon ist in diesen Tagen keine Rede mehr. Trotz geopolitischer Unsicherheiten wie dem Brexit oder der Katalonien-Krise eilen die Aktienmärkte von Rekord zu Rekord. Für Börsendebütanten ein idealer Zeitpunkt. Das hatte in der vergangenen Woche schon Voltabox bewiesen, ein Unternehmen, das Batteriesysteme für die Elektromobilität herstellt – etwa für Busse oder Gabelstapler. Anfang Oktober war es der Reifenhersteller Pirelli. Die größte Neuemission war im Sommer der Essenslieferdienst Delivery Hero, der beim Emissionsvolumen knapp unter der Milliardenschwelle blieb. Auch die Restaurantkette Vapiano hatte Aktien ausgegeben.
Die Pipeline, wie Börsianer sagen, ist damit noch nicht leer: In den nächsten Wochen dürfte der Lebensmittellieferant Hello Fresh und der Metallrecycler Befesa an die Börse gehen. Börsenpläne hat offenbar auch der Handelskonzern Otto. Für einige wachstumsstarke Konzerngesellschaften sei dies eine ernsthafte Option, teilte Otto-Chef Alexander Birken der „Wirtschaftswoche“mit.