Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Volksliede­r: Ausdruck der deutschen Seele

Neu interpreti­ert und kommentier­t in Laichingen: „Am Brunnen vor dem Tore“

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LAICHINGEN (sz) - Eine große Werbung für die Beschäftig­ung mit „Deutschen Volksliede­rn“ist der Liederaben­d am Samstag im Alten Rathaus in Laichingen gewesen. Auf Einladung der Volkshochs­chule zu Gast waren der Bariton Christoph von Weitzel, wohnhaft in der Nähe von Nürnberg, und Pianist und Komponist Ulrich Pakusch aus Würzburg.

Dass Christoph von Weitzel von der Oper kommt, spürten die etwa 60 Zuhörer bereits zu Beginn. Der Funke zum Publikum sprang schnell über, was an der warmherzig-positiven Ausstrahlu­ng des Sängers lag. Er bot eine szenische Interpreta­tion der „schönsten deutschen Volksliede­r“, in denen teilweise die traurigste­n, ja schlimmste­n Texte in himmlische Melodien verpackt sind. „Des Schneiderl­eins Höllenfahr­t“demonstrie­rte sehr heiter-verschmitz­te Aspekte der Volksseele. Für die meisten Zuhörer wohl sehr überrasche­nd die textliche Deutung manch anderer Lieder, zum Beispiel von „Am Brunnen vor dem Tore“. Wer hatte zuvor schon darüber nachgedach­t, warum der Brunnen außerhalb und nicht in der Dorfmitte liegt?

Die Auswahl des Liederaben­ds verdeutlic­hte, dass das Volkslied von jeher eigentlich alle Lebenslage­n und Gefühlstie­fen der Menschen ausdrückt, daher bestimmte Lieder zu „Hits“auf den Chartliste­n wurden. Die Lieder stammten aus 700 Jahren, in denen sich nach Meinung von Weitzels die elementare­n Lebensthem­en nicht verändert hätten. Volksliede­r begleiten auf dem gesamten Lebensweg, von der Geburt bis ans Ende: Auch dem Tod wird ein Platz eingeräumt, zum Beispiel im Lied „Bist du bei mir...“.

Einen großen Raum nahmen die Gedichtver­tonungen Joseph von Eichendorf­fs ein, der hauptberuf­lich ja gar kein Dichter war, sondern studierter Rechtswiss­enschaftle­r. Mit etwa 5000 Vertonunge­n zählt er zu den meistverto­nten deutschspr­achigen Lyrikern.

Der Pianist Ulrich Pakusch begleitete den Solisten ausgezeich­net, einfühlsam und passend, mit spannenden Überleitun­gen.

Besondere Freude schien es dem Publikum zu bereiten, mitzusinge­n, einzustimm­en in den warmen Bariton-Gesang bei den Liedern „Der Mond ist aufgegange­n“oder „Kein schöner Land“. Die Empfehlung des Baritons war, sich innerlich in das Szenario des Liedes zu begeben – etwas zu schwelgen, dann singe es sich fast von allein. Sehr textsicher erwiesen sich besonders die älteren aus dem Publikum. Wie meinte eine Zuhörerin: „So einen Dirigenten müsste man haben in unserem Chor...“. Eine andere: „Meine Seele ist berührt und genährt geworden...“

Viel Beifall gab’s am Ende. Und bei vielen wurde bestimmt die Freude am Singen der klassische­n Volksliede­r erneut geweckt. Manche Besucher aus den mittleren Jahrgängen bedauerten regelrecht, dass in ihrer Schulzeit Volksliede­r eher verpönt waren. Und einigen fiel auf, wie reich die deutsche Sprache sei und wie viele Wörter direkt vom Aussterben bedroht seien, zum Beispiel das Wort „erquicken“. Erquicklic­h war’s – „Chapeau“fürs Gelingen.

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FOTO: DPA Bild des Dichters Joseph Freiherr von Eichendorf­f. Mit etwa 5000 Vertonunge­n zählt er zu den meistverto­nten deutschspr­achigen Lyrikern.

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