Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Schweinehalter aus Alb-Donau-Kreis droht Prozess
Anklage gegen Landwirt, seine Frau und Söhne – Amtstierarzt erhält Strafbefehl wegen versuchter Strafvereitelung
STUTTGART - Der SchweinezuchtSkandal aus dem Alb-Donau-Kreis landet wohl vor Gericht. Der Landwirt, in dessen Ställen vor einem Jahr unsägliche Zustände herrschten, ist von der Staatsanwaltschaft Ulm wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz angeklagt worden. Auch die Frau des 54-Jährigen sowie dessen Söhne müssen sich wohl vor dem Ulmer Amtsgericht verantworten. Der Amtstierarzt, der kurz zuvor den Hof kontrolliert hatte, hat einen Strafbefehl erhalten.
Der Fall hat im Oktober 2016 bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Damals hatten Tierschutzaktivisten um Friedrich Mülln von der „Soko Tierschutz“in einem Schweinemastbetrieb im Alb-Donau-Kreis massive Missstände öffentlich gemacht. Dafür waren sie unerlaubt auf dem Hof, filmten in den Ställen – Mülln handelte sich eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs ein. Die Staatsanwaltschaft Ulm hat das Verfahren gegen eine Zahlung von 100 Euro eingestellt, denn „das Verschulden des Tierschutzaktivisten halten wir für sehr gering“, erklärt Staatsanwalt Stefan Adamski. Denn nur durch sie sei der Fall bekannt geworden.
Tierschützer sprechen von Erfolg
Den Mittwoch werde er sich im Kalender markieren, sagt Mülln. „In den 25 Jahren, in denen ich im Tierschutz aktiv bin, ist es mir bisher noch nie gelungen, dass so ein Tierquäler vor einem Richter oder einer Richterin stehen muss.“Dass sich der Landwirt und seine Familie vor Gericht verantworten müssen, nennt er motivierend. „Es ist ein Zeichen dafür, dass unsere Recherchen endlich juristischen Nachhall finden.“Mülln erklärt das auch mit einem großen gesellschaftlichen Wandel, der den Tierschutz stärker in den Fokus der Gesellschaft gerückt habe.
Für die Staatsanwaltschaft steht nach ihren Ermittlungen fest, dass die Ställe des Schweinemastbetriebs zwischen 2013 und 2016 durchgehend überbelegt waren. Die Sterberate bei den Tieren sei deshalb sehr hoch, die hygienischen Zustände seien katastrophal gewesen. Als das Veterinäramt des Alb-Donau-Kreises die Ställe begutachtete, war der Zustand von 160 Tieren so schlecht, dass sie getötet werden mussten. Einen Monat später wurde dem Bauer verboten, künftig Nutztiere zu halten.
Zwar habe der Bauer seinen Betrieb faktisch allein bewirtschaftet, erklärt die Staatsanwaltschaft. Seine Frau und die Söhne seien aber mitangeklagt, weil sie Gesellschafter des Betriebs waren. Der Vorwurf: Sie seien ihrer Überwachungspflicht nicht nachgekommen. Den Angeklagten drohen bis zu drei Jahre Haft. Über das weitere Verfahren habe das Amtsgericht Ulm noch nicht entschieden, erklärt ein Sprecher.
Gegen einen Amtstierarzt des Landratsamts Alb-Donau-Kreis hat das Amtsgericht Ulm nun auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl wegen versuchter Strafvereitelung erlassen. Der 43-Jährige hatte den Betrieb kontrolliert, nachdem die Tierschützer Hinweise auf die Missstände bekannt gemacht hatten. Laut Staatsanwaltschaft hat der Veterinär angegeben, dass ihm der Bauer einen Stall verheimlicht habe. Doch auch im begutachteten Stall hätte er gravierende Mängel feststellen müssen, so die Staatsanwaltschaft. Stattdessen habe der Mann erklärt, dass die Vorwürfe der Tierschützer „zu 98 Prozent nicht zutreffend“seien.
Prekäre Personalsituation
Ein Strafbefehl wirkt wie eine rechtskräftige Verurteilung. Dieses Vorgehen spart Zeit und Kosten, außerdem bleibt dem Amtstierarzt eine öffentliche Verhandlung erspart, sofern er den Strafbefehl akzeptiert. Ob er dies tun wird, ist derzeit offen. „Ich kenne die Akten nicht“, sagt Thomas Pfisterer, Vorsitzender des Landesverbands der Amtstierärzte. „Aber ich bleibe bei meiner Bewertung, dass der Kollege nicht strafvereitelnd gehandelt hat.“Erst in der Recherche hinterher, bei einem zweiten Kontrollgang, habe man den zweiten Stall gefunden. Der betroffene Kollege sei noch nicht lange im Dienst gewesen. Zudem sei die Personalsituation vor Ort zu dieser Zeit „mehr als prekär“gewesen.
Lange schon macht Pfisterer auf den Umstand aufmerksam, dass die Veterinärämter massiv unterbesetzt seien. In den kommenden beiden Jahren sollen jährlich fünf weitere Stellen geschaffen werden – so sieht es der Doppelhaushalt vor, der im Dezember vom Landtag verabschiedet werden soll. „Das reicht nicht“, hatte Pfisterer gesagt. Der Verband der Amtstierärzte trifft sich am Donnerstag. „Dann werden wir über die Schlussfolgerungen aus diesem Vorgang und über die Stellenzuweisungen sprechen“, sagt Pfisterer.