Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Tolu will sich um Sohn kümmern – und dann arbeiten
Freundeskreis kündigt Erklärung für Freitag an – Türkei lässt Deutschen ausreisen – Politiker mahnen
ULM/ISTANBUL - Nach ihrer Freilassung aus türkischer Haft will sich die deutsche Übersetzerin und Journalistin Mesale Tolu zunächst um ihren dreijährigen Sohn kümmern: Das sagte ein Sprecher des Ulmer Freundeskreises am Dienstag. Über die weiteren Pläne der 33-Jährigen und ihres Mannes könne er nichts sagen.
Der Sohn war seit der Festnahme Tolus Ende April bis Mitte Oktober mit seiner Mutter im Gefängnis, da auch sein Vater wegen angeblicher Terrorpropaganda im April festgenommen und erst vor einigen Wochen wieder freigelassen worden war. Er darf die Türkei derzeit nicht verlassen.
Die 33-jährige Tolu war am Montag von einem Istanbuler Gericht bis zu einem Urteil auf freien Fuß gesetzt worden, wurde aber mit einem Ausreiseverbot belegt.
Gegen die Ausreisesperre werde man zwar juristisch vorgehen, hatte Tolus Vater, Ali Riza Tolu, am Montag angekündigt. Andererseits wolle seine Tochter ohnehin in Istanbul bleiben – und dort weiterhin als Journalistin arbeiten. „Sie denkt nicht daran, ins Ausland zu reisen.“
Am Freitagabend werde Tolu eine Erklärung abgeben, hieß es weiter aus dem Freundeskreis, der auch zu einer Solidaritäts-Veranstaltung in Ulm für Tolu und die weiteren Inhaftierten einlädt. Dazu wird auch die Linken-Vizefraktionschefin im Bundestag, Heike Hänsel, erwartet, die am Montag wie schon beim ersten Prozesstermin im Oktober als einzige Bundestagsabgeordnete die Gerichtsverhandlung beobachtet hatte.
Derweil zeichnet sich weitere Entspannung im deutsch-türkischen Verhältnis ab. Am Dienstag hob ein Istanbuler Gericht die Ausreisesperre für den Kölner Soziologen Sharo Garip auf. Im Januar 2016 hatte der Kölner als einer von mehr als 1000 meist türkischen Akademikern einen Appell unterschrieben, in dem das harte Vorgehen der Regierung in den Kurdengebieten im Südosten des Landes kritisiert wurde.
Mit der Aufhebung der Ausreisesperre ist die türkische Seite der Bundesregierung nun entgegengekommen – wie zuvor schon mit der Freilassung von Peter Steudtner und Mesale Tolu aus der U-Haft. In allen drei Fällen gehen die Prozesse wegen Terrorvorwürfen aber weiter. Immer noch sind nach Einschätzung der Bundesregierung mindestens acht Deutsche aus politischen Gründen in der Türkei hinter Gittern, darunter der „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel. Die Familien der anderen sieben Betroffenen wünschen keine Öffentlichkeit.
Die Tübinger Linken-Politikerin Hänsel warnte am Dienstag in Istanbul vor allzu viel Optimismus. Sie hält die Freilassung deutscher Staatsbürger aus türkischer Untersuchungshaft nicht für ausreichend.
Auch der Aalener CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter hält nach der Freilassung von Tolu Druck auf Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan für nötig. „Die Freilassung von Mesale Tolu ist ein Hoffnungsschimmer, dass es durchaus noch rechtsstaatliche Strukturen in der Türkei gibt“, sagte er.