Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Spediteure verklagen Daimler
Fuhrunternehmer verlangen 176 Millionen Euro Schadenersatz von Lkw-Herstellern
STUTTGART - Die illegalen Preisabsprachen mit anderen Lkw-Herstellern haben der Daimler AG schon ein Bußgeld der EU in Höhe von einer Milliarde Euro eingebracht. Nun droht weiteres, teures Ungemach. Hunderte von Spediteuren sowie die Deutsche Bahn fordern Schadenersatz in dreistelliger Millionenhöhe, weitere Klagen dürften folgen.
Der Europäische Ladungsverbund Internationaler Spediteure (Elvis) hat seine Klage am Donnerstag beim Landgericht Stuttgart eingereicht. Auf mehr als 600 000 Seiten begründen die Anwälte des Verbandes die Ansprüche. Im Namen von 300 kleinen und mittleren Spediteuren verlangt Elvis Schadensersatz von 176 Millionen Euro.
Unerlaubte Preisabsprachen
Grund sind die unerlaubten Preisabsprachen, die Daimler, DAF, MAN, Iveco, Scania, Volvo und Renault zwischen 1997 und 2011 trafen. Lkw anderer Hersteller sind in der EU nicht zugelassen – Kunden mussten ihre Fahrzeuge bei einem der sieben Unternehmen kaufen. Die EU-Kommission hatte die Hersteller 2016 wegen der Bildung eines Kartells zu rund vier Milliarden Euro Bußgeld verurteilt. Damit ist unbestritten: Es gab die Preisabsprachen. Allerdings sagt die EU nichts dazu, wie hoch der entstande Schaden ist.
Auf diesen Umstand verwies auch Daimler als Reaktion auf die Klage. man werde alle Schadenersatzansprüche prüfen und sich gegen unberechtigte Forderungen wehren.
Für Jochen Eschborn vom Verband Elvis ist die Sache klar: „Die Lkw wären ohne die Preisabsprachen nicht so teuer gewesen. Deswegen haben viele kleine und mittlere Unternehmen bis zu zehn Prozent mehr für Lkw gezahlt als angemessen.“Elvis zieht zwar nur gegen Daimler vor Gericht, seine Mitglieder haben aber auch überteuerte Lkw anderer Kartellmitglieder gekauft. Diese Hersteller kann Daimler als Mitbeklagte in das Verfahren einbinden, um bei einer Niederlage nicht allein zahlen zu müssen.
Elvis-Gutachter haben berechnet: 16 600 Lastwagen haben die vom Verband vertretenen Fuhrunternehmer zu überhöhten Preisen gekauft. Die Branche ist geprägt von Familienbetrieben. Ein Drittel des Marktanteils machen laut Elvis Unternehmen mit weniger als sechs Fahrzeugen unter sich aus, weitere rund zwanzig Prozent der Aufträge gehen an Firmen mit weniger als 40 Fahrzeugen.
Investor zahlt Prozesskosten
„Viele Unternehmen hatten jahrzehntelange Geschäftsbeziehungen zu den Herstellern, viele haben nur eine Marke in ihrem Fuhrpark“, so Eschborn. Deswegen seien sie enttäuscht über das Verhalten von Daimler. „Viele haben versucht, sich direkt mit ihrem Lieferanten zu einigen. Doch dazu kam es in keinem einzigen Fall“, sagte Eschborn. Lediglich ein Schreiben mit dürren Worten des Bedauerns sei in den Briefkästen gelandet. Letztlich habe auch diese Enttäuschung dazu geführt, dass die Elvis-Mitglieder sich zur Klage entschlossen hätten. Weil aber Sammelklagen in Deutschland nur in sehr wenigen Fällen möglich sind, gründeten sie dazu eine eigene GmbH. Die hohen Kosten, die schon vor dem Prozess etwa für Gutachten zur Schadenshöhe anfallen, trägt ein Prozesskostenfinanzierer. Solche Gesellschaften investieren Geld in juristische Verfahren. Sie zahlen einer Partei die Kosten und setzen darauf, dass diese Schadenersatz erstreitet. Von dieser Summe erhalten sie einen Anteil. „Dass wir einen Investor gefunden haben zeigt, wie gut unsere Chancen sind“, sagt Elvis-Anwalt Moritz Lorenz.
Der Prozess vor dem Landgericht Stuttgart dürfte frühstens Ende 2018 beginnen, bis zu einem Urteil kann ein weiteres Jahr vergehen. Ähnlich lange werden die übrigen Prozesse dauern. Am Landgericht Stuttgart sind bereits mehr als 40 Klagen anhängig, die Forderungen reichen bis zu fünf Millionen Euro.
Auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) plant eine Klage für rund 3000 Unternehmen. Die Bahn vertritt die Ansprüche von mehr als 40 Unternehmen, darunter die Bundeswehr. Sie haben nach eigenen Angaben 35 000 Lkw zu teuer eingekauft.