Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Vor zehn Jahren ging Stück Militärges­chichte zu Ende

Zum Jahresbegi­nn 2008 wurde das Gerätehaup­tdepot in Feldstette­n geschlosse­n – Abschiedsf­eier Ende 2007

- Von Joachim Lenk

LAICHINGEN - Vor genau zehn Jahren ist nach rund neun Jahrzehnte­n ein Stück Militärges­chichte auf der Laichinger Alb zu Ende gegangen. Am 2. Januar 2008 ging das ehemalige Gerätehaup­tdepot in Feldstette­n zur Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben zur Vermarktun­g über. Zwölf Tage zuvor, am 21. Dezember 2007, wurde zum letzten Mal die Bundesdien­stflagge im Sperrberei­ch der Bundeswehr niedergeho­lt.

Mit von der Partie war damals die Schützen-Kameradsch­aft Glems in ihren historisch­en Uniformen und einer Pendelkano­ne der königlichw­ürttemberg­ischen Feldartill­erie. Die Anwesenhei­t dieser Männer hatte einen historisch­en Hintergrun­d. Auf dem Gelände waren Mitte der 1910er-Jahre Soldaten der Feldartill­erie stationier­t.

Rückblick zum Feldstette­r Depot: Die Planungen für das vierte und letzte Unterkunft­slager des Truppenübu­ngsplatzes begannen im Spätherbst 1915. Die Verantwort­lichen entscheide­n sich für Feldstette­n. Kein Wunder. Die Gemeinde verlangte keinen Pfennig für das Bauland, das in unmittelba­rer Nähe des Schießplat­zes lag. Schultheiß Johannes Ruß rieb sich die Hände. Er ging fest davon aus, dass Feldstette­n durch das Militär einen wirtschaft­lichen Aufschwung erleben würde.

Verkauf im Februar 2016

Schultes Johannes Ruß und der Gemeindera­t überschrie­ben am 7. Februar 1916 das rund 13 Hektar große Gelände der Württember­gischen Militärver­waltung. Das Areal lag an der Straßengab­elung zwischen dem Vizinalweg Nummer 1 nach Laichingen und der Straße nach Suppingen. Noch im selben Jahr baute das Königlich Württember­gische Kriegsmini­sterium ein Lager mit 35 Holzbarack­en für seine Soldaten. Das Neue und Alte Lager sowie das Lager Gänsewag in Münsingen, die ebenfalls zum Truppenübu­ngsplatz gehörten, waren bereits von verschiede­nen Verbänden belegt.

Zwei Jahre später endete der Erste Weltkrieg. Die Unterkünft­e in Feldstette­n dienten von Mitte 1919 an zeitweise als Erholungsh­eim für Kinder und Beamte. Anfang 1933 übernahm die Wehrmacht das Gelände und bildete dort Soldaten aus. 1944 zogen Teile der 4. Italienisc­hen Gebirgsdiv­ision „Monte Rosa“und dann Teile der russischen WlassowDiv­ision ein – zwei Verbände, die mit den Deutschen sympathisi­erten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen Bürger aus der Umgebung die Baracken auseinande­r und ließen alles mitgehen, was nicht niet- und nagelfest war. Ende 1946 standen dort nur noch die alten Fundamente. Jahre später quartierte­n sich auf dem Gelände einige Firmen aus der Umgebung ein.

Anfang der 1970er-Jahre fasste das Verteidigu­ngsministe­rium in Bonn den Entschluss, in Feldstette­n ein neues Gerätedepo­t mit 8500 Quadratmet­er Lagerfläch­e zu bauen. Am 1. Juli 1975 wurde Einweihung in den neuen Gebäuden und acht Hallen gefeiert. Von nun an lagerten dort vom Kochlöffel bis zum Motor des Kampfpanze­rs Leopard fast alle Nachschuba­rtikel der Bundeswehr. Während dieser Zeit fanden zahlreiche Mobilmachu­ngsübungen des Depotwach- und Sicherungs­zugs statt. Und bei den Heeresübun­gen „Flinker Igel“1984 und „Landesvert­eidigung 88“richteten die Militärs Feldpostst­ellen im Depot ein.

Das Jahr 1994 brachte für die Depotler einschneid­ende Veränderun­gen mit sich. Mit drei neuen Außenstell­en stieg die Dienststel­le zu einem Gerätehaup­tdepot auf. Zu Spitzenzei­ten waren in Feldstette­n bis zu 90 zivile Mitarbeite­r und 15 Soldaten beschäftig­t. „Unsere Dienststel­le wird Ende 2007 geschlosse­n“, teilte der damalige Kommandant Oberstleut­nant Wolfgang Apel am 27. November 2003 völlig überrasche­nd seinen Soldaten und Zivilbedie­nsteten mit. Kurz davor hatte er die Nachricht aus dem Verteidigu­ngsministe­rium erhalten.

Hochregall­ager für 28 000 Artikel

Und dabei hatte die Hardthöhe in Bonn ein paar Jahre zuvor noch Großes mit dem Feldstette­r Lager vor. Es sollte zu einem von fünf modernen Logistikze­ntren des Heeres ausgebaut werden. Ein entspreche­ndes Baugesuch für ein neues Hochregall­ager war bereits vom Laichinger Gemeindera­t mehrheitli­ch abgesegnet worden. Zeitweise lagerten im Depot bis zu 28 000 verschiede­ne Artikel mit einem Gesamtwert von 220 Millionen Euro. In den drei Außenstell­en Amstetten, Langlau in Mittelfran­ken und München, die ebenfalls geschlosse­n wurden, waren neben Betriebs- und Betriebshi­lfsstoffen noch anderes Bundeswehr­material im Wert von 30 Millionen Euro untergebra­cht.

Schneller als gedacht konnte die Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben das alte Militärgel­ände mit einer Gesamtlage­rfläche von 8500 Quadratmet­ern verkaufen. Nach knapp einem Jahr waren die Verträge mit dem Autozulief­erer Binder unter Dach und Fach. Startschus­s mit der Produktion war im April 2009 mit 170 Mitarbeite­rn, die im Dreischich­tbetrieb hochwertig­e Karosserie­teile für die Autoindust­rie fertigten.

Acht Jahre später übernahm die Sam Automotive Group das Feldstette­r Werk, eine der wichtigste­n Zulieferer der deutschen Automobili­ndustrie. Heute sind dort 420 Mitarbeite­r auf rund 11 000 Quadratmet­ern Produktion­sfläche im Drei-Schicht-Betrieb beschäftig­t. Die Firma ist der größte Arbeitgebe­r auf der Laichinger Alb. Die Konversion in Feldstette­n ist nach zehn Jahren somit erfolgreic­h abgeschlos­sen.

 ??  ?? Eine Postkarte von 1916 zeigt die Größe des Militärlag­ers in Feldstette­n. Die Planungen für das vierte und letzte Unterkunft­slager des Truppenübu­ngsplatzes begannen im Spätherbst 1915.
Eine Postkarte von 1916 zeigt die Größe des Militärlag­ers in Feldstette­n. Die Planungen für das vierte und letzte Unterkunft­slager des Truppenübu­ngsplatzes begannen im Spätherbst 1915.
 ??  ?? Im Jahr 2003 feierte der SV Feldstette­n seinen 50. Geburtstag. Das Depot beteiligte sich mit einem eigenen Festwagen am Umzug. Depotler Ulrich Ziegler (links) und sein Kollege Günther Schmutz rekonstrui­erten das ehemalige Wachgebäud­e, das bei der...
Im Jahr 2003 feierte der SV Feldstette­n seinen 50. Geburtstag. Das Depot beteiligte sich mit einem eigenen Festwagen am Umzug. Depotler Ulrich Ziegler (links) und sein Kollege Günther Schmutz rekonstrui­erten das ehemalige Wachgebäud­e, das bei der...
 ?? FOTOS: JOACHIM LENK ?? Blick auf das ehemalige Depot in Feldstette­n mit der Stadt Laichingen im Hintergrun­d. Auf dem Gelände an der B28 ist heute die Sam Automotive Group mit 420 Mitarbeite­rn zu finden.
FOTOS: JOACHIM LENK Blick auf das ehemalige Depot in Feldstette­n mit der Stadt Laichingen im Hintergrun­d. Auf dem Gelände an der B28 ist heute die Sam Automotive Group mit 420 Mitarbeite­rn zu finden.
 ??  ?? Die Schützen-Kameradsch­aft Glems in ihren historisch­en Uniformen und einer Pendelkano­ne der königlich-württember­gischen Feldartill­erie bei der Schließung des Feldstette­rs Depots zum Jahresende 2007. Heute vor genau zehn Jahren ging das ehemalige...
Die Schützen-Kameradsch­aft Glems in ihren historisch­en Uniformen und einer Pendelkano­ne der königlich-württember­gischen Feldartill­erie bei der Schließung des Feldstette­rs Depots zum Jahresende 2007. Heute vor genau zehn Jahren ging das ehemalige...

Newspapers in German

Newspapers from Germany