Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Die Zeichen stehen auf Kampf
Arbeitgeber und Gewerkschaft glauben nicht an baldige Beilegung des Tarifkonflikts in der Metall- und Elektroindustrie
RAVENSBURG - Der Arbeitgeberverband Südwestmetall glaubt trotz intensiver Verhandlungen mit der IG Metall am Wochenende nicht mehr an eine gütliche Lösung im aktuellen Tarifstreit. Diese Einschätzung äußerte Südwestmetall-Chef Stefan Wolf am Montag. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir bis Donnerstag noch ein Ergebnis hinbekommen“, sagte Wolf in einem Hintergrundgespräch zur aktuellen Tarifrunde. Auch IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger hält ein Ergebnis für „höchst unwahrscheinlich“.
Immerhin: Die intensiven Verhandlungen der vergangenen drei Tage haben nach Einschätzung von Wolf in einigen Punkten auch Annäherungen gebracht. Das betrifft zum einen die Forderung der Arbeitgeber, bei den Arbeitszeiten Öffnungen nach oben zu ermöglichen. „Stand heute sehe ich gute Chancen, dass wir dieses Ziel auch erreichen“, erklärte Arbeitgebervertreter Wolf.
Bislang dürfen maximal 18 Prozent der Beschäftigten eines Betriebes von der tariflich festgelegten 35Stundenauf eine 40-Stunden-Woche erhöhen. Einer zeitlich befristeten Reduzierung der Arbeitszeit auf 28 Wochenstunden, wie sie die IG Metall fordert, wollen die Arbeitgeber nur zustimmen, wenn im Gegenzug die 18Prozent-Quote angehoben wird.
Und das betrifft zum anderen die Forderung der IG Metall nach teilweisen Ausgleichszahlungen, wenn Beschäftigte ihre Arbeitszeit temporär reduzieren wollen. Dieser Punkt ist nach Ansicht der Arbeitgeber rechtswidrig, weil er eine Ungleichbehandlung gegenüber Beschäftigten, die bereits in Teilzeit sind, bedeute – und wird daher strikt abgelehnt. Wie aus Verhandlungskreisen zu erfahren war, gibt es inzwischen erste Anzeichen, dass die IG Metall von ihrer Forderung nach Ausgleichszahlungen abrücken könnte.
IG Metall fordert „kurze Vollzeit“
„Wir fordern zunächst einmal einen Anspruch auf eine kurze Vollzeit von bis zu 28 Wochenstunden. Erst wenn dies erfüllt ist sind wir bereit, über Veränderungen nach oben zu reden“, sagte IG-Metall-Sprecherin Petra Otto im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Entscheidend dabei sei allerdings, dass das vertragliche Arbeitszeitvolumen auf keinen Fall weiter zunehme, so Otte.
Die Auseinandersetzung rund um das Thema Arbeitszeit ist der große Knackpunkt der laufenden Tarifgespräche. Angesichts voller Auftragsbücher und eines leer gefegten Arbeitsmarktes – so die Argumentation der Arbeitgeber – stießen immer mehr Betriebe an ihre personellen Grenzen. Die Schere zwischen Arbeitskräftebedarf und -angebot werde immer größer. Vor diesem Hintergrund kämen die Forderungen der IG Metall nicht nur zur Unzeit, sie würden auch dem Wunsch vieler Beschäftigten zuwiderlaufen, die gern mehr arbeiten würden weil sie mehr Geld verdienen wollten. Gerade in mittelständischen Betrieben sei es praktisch kaum möglich, Auszeiten von Spezialisten zu kompensieren.
Unsinn, kontert die IG Metall. Das Problem sei nicht neu. Auch heute würden Spezialisten wegen Krankheit oder Elternzeit vorübergehend ausfallen, für die Ersatz gefunden werden müsse. „Deshalb wollen wir mit den Arbeitgebern auch über mehr Mitsprache bei der Personalbemessung reden“, sagt Otte. Im Übrigen könne die „verkürzte Vollzeit“– wie die Gewerkschaft die Wahloption auf kürzere Arbeitszeit intern auch nennt – dem Fachkräftemangel mit ihren familienund gesundheitsfördernden Arbeitszeiten entgegenwirken.
Bei der hochemotional geführten Debatte um Arbeitszeiten geht unter, dass die Tarifparteien das Thema Entgeltforderung noch nicht einmal angeschnitten haben. Sechs Prozent fordert die Gewerkschaft. Eine Einmalzahlung von 200 Euro und anschließend zwei Prozent mehr Gehalt für eine Laufzeit von 15 Monaten bieten die Arbeitgeber. „Momentan liegt der Fokus auf den qualitativen Themen“, erklärt IG-Metall-Sprecherin Otte und fügt hinzu: „Von der Entgeltforderung rücken wir nicht ab und es wird auch nichts gegeneinander aufgerechnet. Wir bleiben dabei: Einen Abschluss gibt es erst, wenn Ergebnisse zu allen drei Forderungselementen vorliegen.“
Überzogene Forderungen
„Völlig überzogene Forderungen“, antwortet Südwestmetall-Chef Wolf und verweist auf das ohnehin schon hohe Lohnniveau in der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie, das über alle Entgeltgruppen hinweg bei durchschnittlich 64 000 Euro jährlich liegt.
Wolf sieht bei einem Scheitern der Gespräche in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag für Südwestmetall zwei Szenarien: Wenn die Verhandlungspartner nah genug beieinander seien, wäre es möglich, am Wochenende einen weiteren Lösungsversuch zu starten. Gebe es keine Einigung, habe die Gewerkschaft bereits ganztägige Warnstreiks angekündigt. Der Arbeitgeber-Chef appellierte noch einmal an die IG Metall, den Bogen nicht zu überspannen: „Wirtschaftlich wären Ganztagesstreiks extrem kontraproduktiv.“