Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Teva in Ulm muss bittere Pille schlucken

270 Jobs der Ratiopharm-Heimat werden wegen der Finanzprob­leme bei der Konzernmut­ter abgebaut

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Seit Wochen erwarten die 2700 Beschäftig­ten bei Ratiopharm in Ulm die schlechte Nachricht. Nun kam sie per E-Mail an jeden Mitarbeite­r: Zehn Prozent der Jobs sollen abgebaut werden. Rechnerisc­h bedeutet dies, dass wohl bei 270 Mitarbeite­r (2700 ist die Zahl der Festangers­tellten inklusive 200 im Außendiens­t) die Kündigung droht.

Der Betriebsra­t sei ebenfalls über die geplanten Maßnahmen informiert, erste Gespräche hätten begonnen. Zu einer Stellungna­hme war die Arbeitnehm­ervertretu­ng nicht bereit.

„Auf den geplanten Stellenabb­au in den verschiede­nen Bereichen wollen wir an dieser Stelle nicht im Detail eingehen“, heißt es in dem unserer Zeitung vorliegend­en Schreiben. Es sei das erklärte Ziel der Geschäftsf­ührung, die Zahl der betriebsbe­dingten Kündigunge­n durch sozial verträglic­he Lösungen so gering wie möglich zu halten. Ein Teil des Stellenabb­aus erfolge durch das Nichtbeset­zen von ohnehin unbesetzte­n Stellen.

Warten auf Gewissheit sorgt für Stress

Die Überraschu­ng bei den Beschäftig­ten in Ulm hält sich in Grenzen. Die Größenordn­ung des Stellenabb­aus sei erwartet worden, sagte eine Mitarbeite­rin gegenüber unserer Zeitung. Das Warten auf Gewissheit sei nun das Härteste. Die Stimmung im Betrieb sei infolgedes­sen schlecht, denn niemand wisse so recht ob er selbst oder sein Kollege im übernächst­en Monat noch an Bord sein wird.

Von Teva gab es am Mittwoch keine Stellungna­hme. Der Pressespre­cher bestätigte lediglich, dass es ein Brief der Geschäftsf­ührung über die Restruktur­ierung am Standort Deutschlan­d verschickt worden sei.

Die Restruktur­ierung findet demnach in allen Bereichen von Teva und in allen Regionen der Welt statt. Im Brief ist die Rede davon, dass zu einer Vielzahl von Standortsc­hließungen komme und bis zu 14 000 Stellen werden. Das entspreche rund 25 Prozent der Mitarbeite­r des Unternehme­ns.

Die Maßnahmen und Veränderun­gen dienen dem Ziel, Teva finanziell zu stabilisie­ren und so die Basis für den langfristi­gen Erfolg zu sichern. Der Weg dorthin führe über eine deutlich schlankere und vereinfach­te Organisati­onsstruktu­r, die das Unternehme­n effiziente­r, agiler und schneller mache.

500-Millionen-Projekt wird trotz Krise gebaut

Aus rein Ulmer Sicht enthält das interne Schreiben auch gute Nachrichte­n: Der Bau des 500-Millionen-Euro teuren Biotech-Zentrums gehe weiter. Die Investitio­n liege im Plan, der vorsieht bis 2020 bis zu 300 neue Stellen zu schaffen, davon 40 Stellen bis Ende 2018.

Außerdem sollen sämtliche Aktivitäte­n des israelisch­en Konzerns in Ulm gebündelt werden. Das heißt, es ist geplant die „Business Unit“namens „Specialty“von Berlin nach Ulm zu verlegen und das Büro in Berlin zu schließen. Dort arbeiten derzeit 100 Menschen, 80 Stellen sollen nach Ulm verlagert werden.

Der Standort Berlin war bisher zuständig für Vertrieb und Vermarktun­g der patentgesc­hützten Präparate. Ulm ist spezialisi­ert auf Generika, also Nachahmerp­räparate. Künftige sollen Spezialmed­ikamente, Generika und frei verkäuflic­he Arzneimitt­el nur noch von Ulm aus vertrieben werden. Damit folge der Standort der globalen Strategie von Teva.

„Viel Kraft und ein hohes Maß an Durchhalte­vermögen“

„Der Standort Deutschlan­d wird auch in Zukunft seine herausrage­nde Rolle innerhalb der Teva einnehmen“, heißt es in dem von der Geschäftsf­ührung um Chef Christoph Stoller unterzeich­neten Schreiben. Dennoch brauche die Belegschaf­t in Ulm in den kommenden Wochen „viel Kraft und ein hohes Maß an Durchhalte­vermögen“.

Der israelisch­e Mutterkonz­ern Teva ist wie berichtet mit fast 30 Milliarden Euro verschulde­t. Teva wollte wachsen um jeden Preis und verschluck­te sich bei Übernahmen von Mitbewerbe­rn.

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