Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Trump lobt sich und wirbt um Investoren
US-Präsident gibt sich in Davos moderat – Unterstützung von deutschen Konzernchefs
DAVOS/WASHINGTON - Die mit Spannung erwartete Rede von USPräsident Donald Trump beim Weltwirtschaftsforum in Davos fiel zurückhaltender aus als erwartet. Ökonomische oder gar politische Visionen blieb der US-Präsident am Freitag schuldig. Stattdessen lud Trump die Unternehmen der Welt zum Investieren in den USA ein. „Nie war die Zeit besser, um einzustellen, zu wachsen und zu investieren“, sagte der 71-Jährige vor gut 1500 Vertretern der Wirtschafts- und Finanzelite im Publikum. „Amerika ist der Platz zum Geschäftemachen.“
Zuvor hatten viele Unternehmer, unter ihnen Siemens-Chef Joe Kaeser und SAP-Boss Bill McDermott („Er hat Schwung in die Weltwirtschaft gebracht“), Trump für seine Steuerreform gelobt. Kaeser hatte zudem angekündigt, eine neue Generation von Gasturbinen in den USA zu entwickeln. Hierfür musste er am Freitag Kritik aus deutschen Gewerkschaftskreisen einstecken.
Trump gab sich moderat. „Amerika zuerst“bedeute ja nicht „Amerika allein“. So schloss er eine Rückkehr zum Transpazifischen Handelsabkommen TPP nicht aus. Trump kündigte aber eine harte Linie bei der Überwachung der Regeln für den Freihandel an. Er arbeite daran, das „internationale Handelssystem zu reparieren“. „Wir können keinen offenen Handel betreiben, wenn andere das System ausbeuten. Wir wollen fairen Warenaustausch, aber das muss gegenseitig erfolgen.“Ohne China oder die EU zu nennen, warf er anderen Ländern vor, Protektionismus zulasten der USA zu betreiben.
Außenpolitisch kündigte er eine „Kampagne maximalen Drucks“an, um Nordkorea die Atomwaffen wegzunehmen. Iran dürfe keinen Zugang zu denselben erhalten. Innenpolitisch warb er für ein neues US-Einwanderungssystem. „Unser Einwanderungssystem steckt in der Vergangenheit fest“, sagte der Präsident. Er forderte eine Umstellung auf einen leistungsabhängigen Ansatz, wonach Menschen vor allem nach ihren Fähigkeiten ausgewählt würden. Auch auf aktuelle Berichte, er habe den für die Russland-Affäre zuständigen Sonderermittler Robert Mueller entlassen wollen, ging Trump ein – mit Worten aus seinem Standardrepertoire: „Fake News, Leute. Fake News. Typische ,New-York-Times’Lügengeschichten.“
In Davos haben bis zum Freitag mehr als 3000 Teilnehmer eine Woche lang debattiert. Im Gegensatz zu Trump hatten sich unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron deutlich für Freihandel ausgesprochen.
DAVOS - Um ihn zu sehen, stellen sich die Leute anderthalb Stunden vorher in Bereitschaft: Gleich wird Donald Trump sprechen. Erst wurde er eingeladen und meldete sich nicht. Dann sagte er zu und alle waren aus dem Häuschen. An diesem Freitag fiebert das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos seinem Höhepunkt entgegen, kurz bevor der viertägige Kongress der globalen Wirtschaftsund Politikelite am Abend zu Ende geht. Die Rede des US-Präsidenten ist das wichtigste Ereignis, auch wenn viele hier das gar nicht toll finden.
Der andere emotionale Höhepunkt des diesjährigen WEF hat da schon stattgefunden. Dort, wo gleich Trump auftreten wird, hielt am Mittwoch Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron seine mehr als einstündige Rede. Macron formuliert den rhetorischen-moralischen Konsens, den zahlreiche Teilnehmer des Forums teilen. Als er endete, sprangen viele auf, umringten ihn, wollten Selfies machen. Macron lachte.
Nun führt Klaus Schwab Trump auf die Bühne. Dieser trägt schwarzen Anzug, weißes Hemd und rote Krawatte. In seiner 15-minütigen Rede sendet der US-Präsident eine Botschaft neuer amerikanischer Stärke, lädt ausländische Unternehmen ein, in den USA zu investieren und betont, dass die Interessen seines Landes für ihn immer an oberster Stelle stehen. Wenn es den USA gutgehe, würden andere auch profitieren, sagt Trump.
„Nach Jahren der Stagnation erleben die USA jetzt starkes Wachstum. Seit meiner Wahl klettern die Aktienkurse. Die Arbeitslosigkeit unter afroamerikanischen Bürgern ist so niedrig wie noch nie“, lobt er die Wirtschaftspolitik seiner Regierung. „Amerika ist wieder konkurrenzfähig. Ich habe eine einfache Botschaft: Es gibt keine bessere Zeit, um in den USA Geschäfte zu machen.“Er setzt hinzu: „Wir haben die besten Arbeiter der Welt.“
Seine Positionen vertritt Trump klar und eindeutig – wohl wissend, dass sich während der vergangenen Tage des WEF eine Phalanx von Politikern gegen sein Programm der Einseitigkeit ausgesprochen hat. Außer Macron waren das Bundeskanzlerin Angela Merkel, Italiens Regierungschef Paolo Gentiloni, die Premierminister von Kanada und Indien, Justin Trudeau und Narendra Modi. Mit unterschiedlicher Nuancierung plädieren sie alle für Multilateralismus – das gemeinsame Aushandeln von Lösungen auf Augenhöhe.
Die Gegner rücken zusammen
Die Attacken des US-Präsidenten und seine Skepsis gegenüber der globalen Verhandlungskultur haben nun zwei Wirkungen. Erstens rücken die Trump-Gegner zusammen. Zu beobachten war das beim WEF, als Trudeau verkündete, das pazifische Freihandelsabkommen unter anderem mit Mexiko, Japan, Australien und Vietnam werde eben ohne die USA abgeschlossen, wenn diese nicht mitmachen. Ähnliche Reaktionen sieht man in Europa, indem Merkel und Macron die EU stärken wollen.
Die zweite Wirkung besteht darin, Trumps Kritik am bisherigen Globalisierungsmodell aufzunehmen und positiv zu wenden. Der Unterund Mittelschicht in den reichen Ländern, die ihre Jobs, Einkommen und Sicherheit gefährdet sehen, verspricht man eine soziale Globalisierung. Das ist der Kern von Macrons Politik.
Bei letzterem handelt es sich allerdings um ein politisches Projekt, das in Davos vielleicht die Herrschaft in den Podiumsdiskussionen errungen haben mag, aber kein Konsens ist. Denn viele Vorstandsvorsitzende und Manager finden Trumps Wirtschaftspolitik gut. Beim Essen der europäischen Unternehmen am Donnerstagabend beglückwünscht Siemens-Vorstand Joe Kaeser Trump „zur Steuerreform“. Deshalb habe Siemens entschieden, eine neue Generation von Gasturbinen in den USA zu entwickeln.
Nach seiner Rede erhält Trump keine stehenden Ovationen wie Macron. Es gibt zehn Sekunden spärlichen Beifall. Vor der Tür protestieren zwei junge Frauen, die T-Shirts mit der Aufschrift „not my president“tragen. Trump macht einen zufriedenen Eindruck.