Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Grüner Aufbruch
Die Diagnose ist richtig. Von einer Verhaltensstarre in der deutschen Politik spricht der neue Grünen-Chef Robert Habeck. Mehr noch, es herrscht eine Art Lähmung der Politik, wie sie in der Endzeit der Ära Kohl auch zu spüren war. Und es liegt nicht nur an der schwierigen Regierungsbildung, dass weder personell noch programmatisch Neues zu spüren ist.
Während die CSU ihre Neuaufstellung gerade erst in Angriff nimmt, ist die SPD mit einem ersten Versuch bereits gescheitert, und die CDU drückt – zumindest öffentlich – noch tapfer alle Debatten weg, wer und wie und wann man Angela Merkel überhaupt ersetzen kann.
Die Grünen aber haben nach zehn – unter dem Strich nicht schlechten Jahren – mit Cem Özdemir ihr Herz in die Hand genommen und gleich zwei Realos an ihre Spitze gewählt. Für den Hoffnungsträger Robert Habeck änderten sie sogar ihre Satzung. Sie haben sich aber nicht, wie die Linke zürnt, aus dem linken Lager verabschiedet, sondern nur vom innerparteilichen alten Rechts-LinksSchema. Das fiel leicht, weil sowohl Robert Habeck als auch Annalena Baerbock Ökologie und Ökonomie verknüpfen. Selbst Realo Habeck, der sonst noch sehr unkonkret blieb, sprach sich klar für mehr Umverteilung und eine härtere Besteuerung von Kapital und Vermögen aus.
Keine Frage, das neue grüne Spitzenteam hatte einen guten Start und Robert Habeck schien fast erleichtert, dass er 81 und nicht mehr Prozent errang. Die Grünen feiern ihn nicht als Retter, wie die SPD vor einem Jahr Martin Schulz, sondern als jemanden, der ihre Partei weiterentwickelt. Der 48-Jährige hat den Traum – nicht nur der Grünen – nach einem klarem Profil für eine integrative, gerechte und ökologische Gesellschaft umrissen.
2020 feiern die Grünen 40. Geburtstag, und wollen bis dahin ein neues Grundsatzprogramm haben. Sie haben sich in Hannover ein bisschen erwachsener als gewohnt präsentiert, vor allem optimistischer als andere Parteien. Ihrem frischen Spitzenteam ist der Erfolg nicht garantiert, wohl aber die Aufmerksamkeit.