Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Freundlicher Wohlfühlschall
Der Elektronik-Meister Christopher von Deylen entfaltet große Wirkung
ULM - Am Ende steht eine sympathische Entschuldigung: „Wir können auch ganze Sätze sprechen. Wir waren aber von unseren Instrumenten so vereinnahmt ... Das ist keinesfalls persönlich gemeint.“Ja, geredet hat Christopher von Deylen wirklich nicht viel in den vorangegangenen zwei Konzertstunden im nicht ausverkauften Ulmer CCU. Das hätte auch nicht sonderlich gut gepasst, denn das erklärte Ziel seines Bandprojekts Schiller ist es ja, dass sein Publikum den Alltag vergessen und in andere Welten eintauchen möge.
Als es am Ende des Auftritts wieder in die Wirklichkeit zurückkehrt, feiert es die Band laut, aber diszipliniert, wie es sich für einen solchen gediegenen Auftrittsort gehört.
Nach den mächtigen Konzerten in den großen Arenen mit viel, viel Licht und großer Band, ziehen Schiller jetzt sozusagen auf Clubtour durch die kleineren Hallen. Für das Klangwelten-Konzept reichen drei Musiker, eine spärliche Light-Show und ein schmales Video-Wändchen für die bewegten Bilder und FarbenSpiele.
Schiller entfalten keine die Sinne überwältigende Wucht, für Christopher von Deylens Verhältnisse ist das hier eher ein Kammerkonzert. Perkussionist Cliff Hewitt gibt den ausladenden Klangflächen kein steinernes Rhythmusfundament, sondern setzt eher zusätzliche Akzente zum Tuckern der Sequencer. So entsteht ein sanfter Groove im mittleren Kopfnicker-Tempo.
Darüber erstrecken sich die weiten, rein elektronischen Klanglandschaften mit warmen Harmonien, nur ganz selten fahren schroffe Geräusche dazwischen wie aus einem Science-Fiction-Film.
Christopher von Deylen hat der Synthesizer-Musik der Siebzigerjahre, für die vor allem Klaus Schulze und Tangerine Dream standen, die Eiseskälte ausgetrieben. Ließen sich die ausufernden Blubber-und-ZirpStücke damals eigentlich nur mithilfe illegaler Substanzen genießen, produzieren Schiller Elektronik für die Massen, freundlichen und gefälligen Wohlfühlschall. Der bewegt sich mal rhythmisch in stetigem MidTempo voran, mal treiben die Klangwolken beinahe antriebslos dahin.
Im zweiten Teil des Auftritts lassen Schiller vor allem träge Ambient-Sounds durch die Halle schweben, die sanft einlullen. Brian Eno, der Pionier der Ambient-Musik, hat 1978 im Begleittext zu seinem richtungsweisen Album „Ambient 1 – Music For Airports“erklärt, Ambient müsse gleichermaßen ignorierbar wie interessant sein.
Das gilt natürlich nur, wenn sie einfach aus einem Lautsprecher in der Ecke tröpfelt. Im Konzert ist sie alles andere als ignorierbar, denn dort stehen Menschen im Licht auf der Bühne, welche die Klänge ihrem üppig bestückten Maschinenpark entlocken.
Klang-Kaskaden sorgen für die perfekte Illusion
Das Schöne daran: Die Musik wird durch eine 360-Grad-Anlage geschickt. Mal klingelt es hinten links, dann vorne rechts, Klang-Kaskaden bewegen sich quer durch den Saal. Die Illusion ist perfekt, die Zuhörer bekommen das Gefühl, mitten in der Musik zu sitzen.
Die ist nicht zu laut, aber deutlich, gut ausbalanciert, eben wohltemperiert. Sie umspült einen wie warmes Badewasser. Das hat allerdings den nicht unangenehmen Nebeneffekt, dass zuweilen die Augenlider ganz entspannt im Hier und Jetzt nach unten sinken. Kann einem bei Schiller auch passieren, ist aber nicht schlimm, denn das erklärte Ziel ist es ja nach den Worten von Christopher von Deylen, das Publikum in andere Welten zu entführen. Kurzausflüge in Traumwelten sind nicht die schlechtesten Trips, vor allem sind sie in diesem Fall völlig legal.