Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
SPD ringt in Ulm um ihre Zukunft
Andrea Nahles und Olaf Scholz werben bei Regionalkonferenz für Neuauflage der GroKo
ULM (mru/lsw/mö) - Draußen weht ein eiskalter Wind, drinnen wird es nur selten hitzig: Im Congress Centrum in Ulm werben an diesem Wintersonntag die designierte SPD-Chefin Andrea Nahles und der kommissarische Parteivorsitzende Olaf Scholz für eine Fortsetzung der Großen Koalition. Etwa 550 Genossen aus Bayern und Baden-Württemberg kommen zur letzten von insgesamt sieben Regionalkonferenzen der SPD. Sie diskutieren mehrere Stunden lang hinter verschlossenen Türen.
Die Atmosphäre sei insgesamt sehr entspannt und sachlich, berichten Teilnehmer der Konferenz. Die GroKo-Gegner sind offenbar in der Minderheit. „Ich bin optimistisch, dass wir eine Mehrheit für ein Ja haben werden“, sagt Andrea Nahles. Sie werde darum kämpfen, dass es auch ein gutes Ergebnis gebe. Fast 464 000 SPD-Mitglieder können noch bis zum 2. März über den Koalitionsvertrag abstimmen. Das Ergebnis soll dann am Wochenende vorliegen.
Die Genossen diskutieren in Ulm in kleineren Gruppen über das Für und Wider der GroKo. Nahles und Scholz stellen sich den Fragen der Basis.
Aus der nicht-öffentlichen Veranstaltung dringt nach draußen, einige Mitglieder hätten ihre angestaute Wut abgelassen – über die desolate Außendarstellung der SPD in den vergangenen Monaten und über die SPD-Führungskultur überhaupt.
„Es war eine spannende Diskussion“, sagt Olaf Scholz anschließend.
Dabei geht es offenbar auch darum, welche Themen den Parteimitgliedern besonders auf den Nägeln brennen. Jeder Teilnehmer kann aus zehn Fragen drei auswählen, die für ihn wichtig sind. Ganz oben landen: Wie kann sich die SPD in der Regierung erneuern? Wie kann sich die SPD profilieren? Und: Welche Antworten hat die SPD auf die Anforderungen an die Arbeitswelt von morgen?
Die Jusos machen deutlich, dass eine Große Koalition nicht nur der Reparaturbetrieb für die Versäumnisse der vergangenen vier Jahre sein dürfe, sondern Zukunftsperspektiven für die Jüngeren aufzeigen müsse.
„Konstruktive, sachliche Debatte“
Andrea Nahles verspricht, sich mit voller Kraft einer konstruktiven Parteiarbeit zu widmen. Deswegen werde sie auch nicht in die Regierung eintreten, sondern bewerbe sich um den Parteivorsitz. Sie wolle niemanden überreden, sondern sie wolle die Mitglieder überzeugen, sagt sie über die Diskussionen bei den Regionalkonferenzen. Sie stellt dabei eine positive Entwicklung fest. „Am Anfang der Woche war es etwas heftiger, auch im Tonfall“, sagt sie. „Das hat sich in eine konstruktive, sachliche Debatte verwandelt.“
Ebenfalls entspannt, aber von der Parteispitze nicht überzeugt, zeigt sich die Ulmer Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis. Sie sei nach wie vor der Meinung, dass Große Koalitionen in Demokratien die Ausnahme sein müssen. Die Vertreterin des linken Parteiflügels fordert wie die Jusos, dass sich die SPD in der Opposition erneuern soll. Dass in Ulm auch klare Gegner der GroKo zu Wort kommen, findet sie gut. Wie der Mitgliederentscheid ausgehe, könne sie aber auch nach der Konferenz nicht sagen: „Da wage ich keine Prognose.“
Als Nahles mit der Veranstaltung in Ulm durch ist, räumt sie ein: „Ich bin jetzt etwas erschöpft.“Es sei „ganz ehrlich, ruhig und sachlich“diskutiert worden.