Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Der Enthusiasmus ist verflogen
Große Überraschungen sind ausgeblieben. Der alte russische Präsident ist auch der neue. Wladimir Putin darf bis 2024 weiterregieren. Das war absehbar. Im Vorfeld hat der Kreml die Alternativen bereits aussortiert. Selbst die handverlesenen Rivalen wurden mit Schmutzkampagnen überzogen.
Aber es läuft nicht mehr so rund in Putins Land. Die Wirtschaft stagniert, die Realeinkommen sind in vier Jahren um 15 Prozent gefallen. Der Deal zwischen Kreml und Volk – politische Macht gegen Wohlstandsgarantie – ist ins Stocken geraten. Die russische Führung flüchtet sich in den Traditionalismus und erklärt sich zur Gegenwelt des Westens. Damit will Putin auch darüber hinwegtäuschen, dass sein Land am Ende eines extensiven Wirtschaftszyklus angelangt ist. Er hat es verpasst, die Ökonomie zu diversifizieren. Nun stottert der Motor. Aber anstatt diese Probleme anzugehen, demonstriert der Kremlchef Stärke nach außen und setzt auf Aufrüstung. Das sind die Instrumentarien, die Russland in solchen Phasen des Stillstands nutzt.
Putin packt das Volk beim Stolz: Die anderen nehmen uns nicht ernst, so werden wir es ihnen zeigen, suggeriert er. Der Streit mit Großbritannien, die Vergiftung des Doppelagenten Skripal, der Syrienkrieg werden dafür instrumentalisiert. Der Enthusiasmus von früher ist jedoch nicht mehr in der Bevölkerung zu spüren. Viele Russen sind verunsichert – und nach 18 Jahren Putin ist ein Gefühl zurückgekehrt, das in der sowjetischen Zeit allseits präsent war: die Angst.
Nach außen hin sieht aber alles aus wie vorher. Putin lässt sich für seinen Sieg huldigen. Am 19. März beginnt seine letzte Amtszeit. Wird er die Verfassung ändern, um weiterregieren zu können? Wird er einen Ersatzmann für 2024 bis 2030 suchen wie einst mit Dmitri Medwedew? Sollte der Kremlchef echte Wahlen zulassen, wenn er und sein Umfeld Sicherheitsgarantien erhalten? Fragen, die von heute an in den Vordergrund drängen und Russland mehr verändern dürften als die vergangenen zehn Jahre.