Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Umfrage: Deutsche fühlen sich unsicher
Bundesgesundheitsminister fordert mehr „Recht und Ordnung“
BERLIN (sz) - Die Deutschen fühlen sich nicht mehr so sicher wie noch vor fünf Jahren. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag der Tageszeitung „Die Welt“. Demzufolge sagten 41 Prozent der Befragten, sie fühlten sich im öffentlichen Raum unsicherer als vor fünf Jahren. Für 51 Prozent hat sich nichts geändert, sieben Prozent fühlen sich sicherer.
BERLIN - Jens Spahn schlägt Alarm. Der Bundesgesundheitsminister und CDU-Präsidiumsmann klagt über mangelnde Sicherheit und fehlende Entschlossenheit der Behörden im Kampf gegen Kriminalität und Gewalt und für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger. Aufgabe des Staates sei es, für Recht und Ordnung zu sorgen. Dies sei jedoch kaum noch der Fall.
Die Handlungsfähigkeit des Staates sei in den vergangenen Jahren „oft nicht ausreichend gegeben“gewesen, kritisiert der CDU-Politiker und Merkel-Rivale in einem Interview. Wenn jeder Steuerbescheid pünktlich beim Bürger ankomme, aber Behörden gegenüber Drogendealern ohnmächtig erscheinen würden und die Polizei in manchen Stadtteilen wie in Arbeitervierteln in Essen, Duisburg oder Berlin kapituliere, gehe massiv Vertrauen verloren. „Da entsteht der Eindruck, dass der Staat nicht mehr willens oder in der Lage sei, Recht durchzusetzen“, erklärte Spahn.
Die Reaktionen auf Spahns Vorstoß sind sehr unterschiedlich: Auf der einen Seite gibt es Zustimmung, auf der anderen Seite erntet der Minister sehr viel Hohn und Spott. Spahn sorge sich um Recht und Ordnung, schrieb der FDP-Chef Christian Lindner auf Twitter. „Ich sorge mich um seine Erinnerung“, erklärte er. Schließlich stelle die Union seit 2005 den Bundesinnenminister.
Duisburgs OB verärgert
Verärgert über Spahn zeigte sich Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD). Er warf Spahn „Pauschalurteile“vor, die von „Ahnungslosigkeit“zeugten. Auch würdige der Minister die Arbeit von vielen Menschen vor Ort herab, sagte Link laut einer Mitteilung. „Ich finde, es ist unverschämt und unwahr, der Polizei zu unterstellen, in bestimmte Viertel nicht mehr zu gehen. Das Gegenteil ist der Fall“, erklärte Link.
Kritik am Gesundheitsminister kommt auch von den Grünen: „Man sollte dem Jens Spahn endlich eine Aufgabe geben, bei der es richtig viel zu tun gibt für die Bürgerinnen und Bürger des Landes: Minister für Gesundheit und Pflege zum Beispiel – macht gerade keiner“, stichelte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte, Spahns Äußerungen zeigten, „wie unernst der angeblich neue proeuropäische Kurs der Bundesregierung gemeint war“. Der CDU-Politiker hatte auch Ungarns rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orban für den Schutz der europäischen Außengrenzen gelobt. Orban bange um seine Macht, sagte Baerbock, „und sofort ist Rechtsausleger Jens Spahn zur Stelle und leistet Wahlkampfhilfe. Dabei tritt Orban in Ungarn europäische Grundrechte mit den Füßen.“Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) warf Spahn vor, er und andere Unionspolitiker redeten „permanent unseren Staat schlecht“, dabei sei die Kriminalitätsbelastung deutschlandweit gesunken, die Polizei und die Verwaltung leisteten ihre Arbeit. Auch Pistorius wies darauf hin, dass die Union seit 13 Jahren den Bundesinnenminister stellt.
Zustimmung bekommt Spahn dagegen aus den eigenen Reihen: Vor allem in SPD-geführten Ländern gebe es „erheblichen Nachholbedarf“bei der Polizei, erklärte Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth. „So ist etwa in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die Polizeidichte ganz besonders gering“, sagte der Unions-Fraktionsvize. „Es darf in Deutschland keine Zonen unterschiedlicher Sicherheit geben.“Der Koalitionsvertrag nehme deshalb mit dem Pakt für den Rechtsstaat und dem Musterpolizeigesetz nun auch die Länder in die Pflicht. Harbarth konterte die Äußerungen von Pistorius. Er „sollte nicht von seiner Verantwortung ablenken“. Polizei sei zunächst Ländersache und die Kritik an einzelnen Bundesländern berechtigt.
Dobrindt: „Propagandahöhlen“
Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt stellte sich hinter Spahn. „In manchen Bundesländern kann man den Eindruck bekommen, dass linke Chaoten eher geschützt als bestraft werden“, sagte Dobrindt der „Bild“-Zeitung. „Beispiele von linken Propagandahöhlen wie die Rote Flora in Hamburg oder die Rigaer Straße in Berlin lassen die Bürger am Rechtsstaat zweifeln. Wenn dann auch die Polizei in manchen Bundesländern nur mangelnden politischen Rückhalt genießt, gibt der Staat einen Hebel zur Rechtsdurchsetzung aus der Hand“, kritisierte Dobrindt.