Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Wolfsexperte: Schäfer brauchen mehr Geld
Armin Hafner spricht über Schutz vor dem Raubtier und die schwierige Situation der Schäfer
DONAUTAL (smn) - Der Wolf ist wieder da, und mit ihm die Sicherheitsbedenken. Seit 2015 sind in Baden-Württemberg 22 Wölfe gesichtet worden. Diese sind zwar bisher alle weitergezogen, doch einzelne Schafe haben sie dennoch auf ihrem Streifzug durch das Land gerissen. Auf einer internationalen Tagung in Stuttgart ging es deshalb Anfang der Woche um den Schutz vor Wolfsangriffen für Schafherden und Sicherheitsmaßnahmen für deren Halter. Rund 250 Teilnehmer, darunter viele Experten und Redner, kamen dafür in der Landeshauptstadt zusammen; auch, um über die finanziellen Absicherungen von Weidetierhaltern zu diskutieren. Mit dabei war Armin Hafner, Wildtierexperte im Naturpark Obere Donau und Sachberater im Landesjagdverband Baden-Württemberg für Wölfe und Luchse. Redaktionsmitglied Simon Siman hat mit ihm gesprochen.
Welche Rolle hat die Tagung denn für das Land Baden-Württemberg gespielt?
Die Schäfer hier beobachten den Wolf mit zunehmender Sorge. Die Schutzmaßnahmen sind weder einheitlich noch ausreichend. In anderen Bundesländern wie Sachsen oder Niedersachsen, aber auch im internationalen Vergleich tut man sich damit deutlich leichter. Wir hinken hier hinterher. Auf der Tagung sollten die Experten von ihren Erfahrungen berichten und erzählen, wie sie mit dem Wolf und dem Schutz der Weidetiere umgehen.
Welche Erkenntnisse haben Sie daraus mitgenommen?
Beschlossen wurde nichts, aber es waren etliche Landtagsabgeordnete und politische Vertreter dort, die sich dem Thema nicht länger verweigern können. Ich war dort eher als stiller Beobachter dabei. Durch die verschiedenen Vorträge habe ich den Eindruck erhalten, dass Herdentierhaltung durchaus möglich ist, auch wenn Wölfe in der Nähe sind. Die Halter müssen sich allerdings auf den Wolf einstellen. Elektrische Schutzzäune oder klassische Schäferhunde können helfen. Es darf nicht erst darauf gewartet werden, dass der Wolf kommt.
Die Wölfe in Süddeutschland sind bisher alle wieder weitergezogen. Wie groß ist die Gefahr, die von den Raubtieren ausgeht?
Grundsätzlich halte ich den Wolf für ungefährlich. Bisher gab es keine Hinweise auf Wolfsrudel, aber ich bin mir sicher, dass sich der Wolf auch bei uns niederlassen wird. Niemand weiß, wo, und es ist schwer abzuschätzen, wie lange das dauert. Im nächsten Jahr könnte sich schon ein Wolfspaar hier ansiedeln und für Nachwuchs sorgen. Hundertprozentigen Schutz gibt es aber nicht. Wenn die Zäune Löcher haben oder zu wenig Strom drauf ist, werden die Wölfe ihre Chance nutzen. Der Wolf verzeiht keine Fehler. Ich glaube aber nicht, dass es den Züchtern bei der Diskussion um die Sicherheitsrisiken geht.
Sondern?
Der Wolf ist nur die Spitze des Eisbergs für die Schäfer. Ich habe engen Kontakt zu den Züchtern in der Region. Sie sind größtenteils frustriert über die Arbeitsbedingungen. Sie arbeiten jeden Tag – 365 Tage im Jahr – bis zu 13 Stunden am Tag und kommen auf einen Verdienst von sechs Euro fünfzig in der Stunde. Das entspricht nicht einmal dem Mindestlohn. Die Kosten sind für sie ohnehin schon sehr hoch. Dazu kommt jetzt der Wolf. Die hauptberuflichen Schäfer sind arbeitstechnisch am Limit. Es gibt immer die Überlegung: Lohnt sich das noch oder nicht?
Wie kann sich diese Situation verbessern?
Das Land muss den Schäfern unter die Arme greifen, und das geht eigentlich nur finanziell. Von politischer Seite aus wird bisher allerdings nicht mit einer Stimme gesprochen. Das muss sich ändern. Das Land wird da auch nicht lange warten dürfen. Auf der Tagung wurde nicht besonders kontrovers diskutiert. Der Tenor war, dass die Weidehaltung trotz in der Nähe lebender Wölfe möglich ist. In Baden-Württemberg soll die Weidehaltung auch bestehen bleiben. Das hat Tradition bei uns und ist ein wichtiger Bestandteil unserer Kulturlandschaft. Der Schutz vor Wölfen kann funktionieren. Es muss nur richtig gemacht werden. Wenn man auch zukünftig Weidetierhaltung möchte, muss man die Voraussetzungen schaffen. Dafür müssen finanzielle Mittel bereitgestellt werden.