Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Ruhige Fahrt“oder doch Raserei?
Weil er auf der A 7 wild überholt haben soll, steht ein 22-Jähriger vor Gericht - Am Ende ist er sichtlich niedergeschlagen
NEU-ULM - Zu Beginn der Verhandlung trat der 22-Jährige noch selbstbewusst auf, am Ende saß er niedergeschlagen und mit von Tränen geröteten auf der Anklagebank im NeuUlmer Amtsgericht – und das, obwohl das Verfahren wegen Nötigung gegen ihn eingestellt wurde. Denn nun bekommt der junge Mann wegen seiner ihm vorgeworfenen verbotenen Fahrweise zwar keine Punkte in Flensburg, teuer wurde die ganze Angelegenheit aber dennoch für ihn: Er muss eine Geldauflage in Höhe von 500 Euro bezahlen.
Vor Gericht verantworten musste sich der junge Mann wegen eines Vorfalls an einem Sonntagabend im Oktober vergangenen Jahres. Er wollte beim Kreuz Elchingen auf die A 7 Richtung Füssen fahren – und zog dabei vom Beschleunigungsstreifen direkt auf die linke der beiden Fahrspuren. Dort aber war ein anderer Wagen unterwegs, der stark abbremsen musste. Dessen Fahrer, der an jenem Abend mit seiner Beifahrerin die Polizei verständigt und das Kennzeichen durchgegeben hatte, sagte vor Gericht auch aus. Der 34-Jährige sagte, dass er eine „relativ starke“Bremsung hinlegen musste – von Tempo 120 auf 80. „Sonst hätte er mich weggerammt.“Hinzu komme, dass auf der rechten Fahrspur ein Auto und davor ein Lastwagen unterwegs waren, die der Zeuge gerade überholte und durch die Lücke der beiden Fahrzeuge sei der Angeklagte die die linke Fahrspur gezogen.
Danach habe der Angeklagte vor ihm stark „wahnsinnig schnell beschleunigt“und „wild“die Fahrspuren gewechselt, auch rechts überholt. Das habe der Zeuge beobachtet. Der 34-Jährige sagte vor Gericht: „Ein normaler Mensch macht das nicht.“An das Kennzeichen konnte sich der Zeuge vor Gericht mittlerweile nicht mehr erinnern, auch den Angeklagten erkannte er nicht. „Es war ein dunkles Auto und es fuhr ein Mann.“
Vor Gericht schilderte der 22-Jährige die Fahrt – er hatte einen Freund besucht und war auf dem Weg zurück nach Memmingen, jedoch ganz anders: „Ich hatte es überhaupt nicht eilig. Es war eine komplett stressfreie und ruhige Fahrt.“An einen besonderen Vorfall könne er sich nicht erinnern. Und: Er lege sowieso grundsätzlich „immer Wert auf eine korrekte Fahrweise“. Gegen einen Strafbefehl, wonach er 1250 Euro hätte bezahlen müssen und ein einmonatiges Fahrverbot bekommen hätte, hatte der junge Mann Einspruch eingelegt – deshalb landete die ganze Sache überhaupt erst vor Gericht.
Dort machte wohl nicht nur das Prozessgeschehen an sich Eindruck auf den Angeklagten, sondern auch die an diesem Vormittag voll besetzten Zuschauerreihen. Richtig blass wurde der junge Mann dann, als Richter Stefan Nielsen ankündigte, einen Fortsetzungstermin anzuberaumen, um den Sachverhalt genauer klären zu können. Denn die Beifahrerin des Zeugen, die ebenfalls aussagen sollte, war nicht erschienen. Jedoch: „Ich sehe da praktisch keinen Raum für eine Verwechslung“, machte Nielsen deutlich.
Gericht stellt Verfahren ein
Die Besprechung mit seinem Verteidiger Martin Centmayer, ob er der Einstellung gegen Geldauflage zustimmen sollten, dauerte ungewöhnlich lange: Nach über zehn Minuten und einer zwischenzeitlichen Nachfrage seitens des Richters betrat der Anwalt den Gerichtssaal wieder – ohne den Angeklagten. „Er muss sich noch fassen“, erklärte Centmayer. Schließlich stimmte man der Einstellung des Verfahrens zu: Der 22-Jährige hat nun fünf Monate Zeit, 500 Euro an das Diakonische Werk in Neu-Ulm zu zahlen.