Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Mann springt mit Kind vor Zug
Familie erlebt in Wuppertal Alptraum – Fünfjähriger überlebt wie durch ein Wunder
WUPPERTAL (dpa) - Um 18.08 Uhr geschieht am Donnerstagabend im Wuppertaler Hauptbahnhof das Ungeheure. Ein polizeibekannter Mann aus Gelsenkirchen greift sich an Gleis 5 ein fremdes Kind und springt mit ihm vor den Augen der entsetzten Eltern und Geschwister vor einen einfahrenden Zug. Der 23-Jährige geht der Lok sogar noch entgegen, bevor er sich mit dem fünfjährigen Jungen zwischen die Schienen legt.
Der Lokführer der aus Haltern kommenden S9 bemerkt das Drama und löst eine Notbremsung aus, kann aber nicht mehr verhindern, dass die Lok Mann und Kind überrollt. Doch der Junge hat großes Glück im Unglück. Weil sich der Fremde längs zu den Schienen legt, erfasst die Lok weder Mann noch Kind.
Das Gesicht des Fünfjährigen erscheint kurz darauf an der Bahnsteigkante, er kann selbst unter dem Zug hervor- und rasch wieder auf den Bahnsteig klettern, wie ein Polizeisprecher sagt. Äußerlich trägt er nur ein paar Schürfwunden davon.
Als auch sein unverletzter Peiniger unter dem Zug auftaucht, wird er sofort von herbeieilenden Passanten gepackt, festgehalten und der Polizei übergeben. Es handelt sich um einen 23-jährigen Inder, der seit vielen Jahren in Gelsenkirchen lebt und der Polizei bereits wegen kleinerer Delikte bekannt war.
„Das waren Aggressionsdelikte und Schwarzfahren“, sagt Staatsanwalt Hauke Pahre. Nun wird wegen versuchten Mordes gegen den 23Jährigen ermittelt. Der Staatsanwalt wirft ihm Heimtücke vor. Die Familie des Fünfjährigen und der Verdächtige kennen sich nicht, sind sich laut Ermittlern wohl nie zuvor begegnet.
Seelsorger betreuen Familie
Der Fünfjährige ist das älteste von drei Kindern der betroffenen Familie: Seine ein und drei Jahre alten Geschwister sind ebenfalls mit den Eltern auf dem Bahnsteig und erleben den Horror mit. Die Familie wird danach von Seelsorgern betreut. Auch der Lokführer ist von dem Geschehen mitgenommen: „Er ist heute krank und wird psychologisch betreut“, sagt ein Bahnsprecher.
Unklar bleibt das Motiv des Verdächtigen. Ein Psychiater wird hinzugezogen. Ihm berichtet der 23-Jährige, dass er schon seit einer Weile Stimmen hört. Der Facharzt attestiert ihm eine schizophrene Psychose. Daraufhin beantragt die Staatsanwaltschaft die Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie. Wie zudem bekannt wird, hatte das Amtsgericht Gelsenkirchen den psychisch auffälligen Mann bereits unter Betreuung gestellt.