Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ein Abgrund an digitaler Grausamkeit
Dass es mit der Jugend bergab geht, ist seit Jahrtausenden sattsam bekannt. Dass neumodische Medien daran die Hauptschuld tragen, stellen Gelehrte seit ebenso langer Zeit fest. Hätte man nur auf Sokrates gehört, der die geistigen Verheerungen der Schrift beklagte; auf den Abt Johannes Trithemius, der 1492 die teuflische Druckerpresse verbal zerlegte; auf Thomas Mann, der im „Zauberberg“vor der Plattheit des Films warnte. Nun sitzen wir aber fest, im digitalen Schlamassel – und starren auf das nächste Menetekel medialer Verrohung. Die mit Gelehrten üppig bestückte Tierschutzorganisation Peta hat ein Schlaglicht auf ein beispielloses Gemetzel geworfen. Es geht um das Videospiel „Far Cry 5“, in dem der Spieler unter Einsatz friedensfördender Instrumente wie Flammenwerfer und Dynamit fanatische Sektenmitglieder zur Räson zu bringen hat. In diesem grundsätzlich so pazifistischen Erbauungswerk tut sich zum Entsetzen der Petatisten unverhofft ein Abgrund an Grausamkeit auf: Der Videospieler kann darin – es schaudert einen schon beim Schreiben – angeln. Mit dem Controller in der Hand steuert er den „Far Cry“-Protagonisten dabei, wie er mittels Haken und Köder dreidimensionale Fischlein digital verenden lässt. Was für ein Blutbad! Peta ermahnt die „Far Cry“Entwickler der Firma Ubisoft in einer Mitteilung eindringlich, keine Videospiele zu vermarkten, in denen das Töten von Fischen „glorifiziert“und „banalisiert“werde. Es steht zu befürchten, dass der Appell verhallt und der sittliche Niedergang fortschreitet. Wo soll das noch enden? Bei Filmen, in denen Angelruten in Nahaufnahme zu sehen sind? Bei Literatur gar, die alte Männer in Fischerbooten verherrlicht? (se)
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