Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Barrierefr­ei denken und bauen

- l.moellers@schwaebisc­he.de

Der Zorn der Ulmer Einzelhänd­ler ist gerechtfer­tigt: Praktisch alle Ulm-Besucher, die den Bahnhof passieren, also Geschäftsl­eute, Schüler, Kunden, Touristen, Patienten, Theaterbes­ucher, Feierbiest­er und Kinogänger sollen als ersten Eindruck der Donaustadt nach ihrer Ankunft im Bahnhof die Sedelhöfe erleben. Der Zugang zur Bahnhofstr­aße von der unterirdis­chen Einstein-Passage aus ist dann nur noch für sportliche Zeitgenoss­en geeignet, die 34 Stufen locker schaffen.

Die Einzelhänd­ler fürchten – und wahrschein­lich liegen sie damit richtig – dass vor allem Kunden und Touristen gar nicht mehr durch die Bahnhofstr­aße und die Hirschstra­ße flanieren, sondern in den Sedelhöfen bleiben. Auch wenn es nur um acht Meter geht: Die Angst vor Kundenverl­ust bleibt.

An dieser Stelle sollten alle Beteiligte­n – die Bauherren, die Stadt, die IHK und die Einzelhänd­ler – nochmals in aller Ruhe nachdenken. Und ein paar Fragen beantworte­n.

Will man wirklich angesichts einer immer älter werdenden Gesellscha­ft nur einen seniorenge­rechten Zugang?

Barrierefr­eies Bauen ist angesagt: Da sollten die Sedelhöfe ganz vorne dabei sein!

Sind in den Vorhersage­n – 40 000 Menschen am Tag, 7400 Kunden pro Stunde zu Spitzenzei­ten – die Entwicklun­gen nach Fertigstel­lung der Schnellbah­nstrecke und die Dynamik, die mit der Landesgart­enschau einher gehen wird, berücksich­tigt?

Rolltreppe­n können defekt sein: Dann ist eine Ersatz-Rolltreppe sinnvoll. Die Deutsche Bahn lässt ihre Kunden jeden Tag wissen und spüren, wie wichtig Ersatz ist.

Dagegen stehen Argumente des Investors, der Kosten im siebenstel­ligen Bereich nennt. Vor allem aber will er nicht die Risiken, Kosten und Verzögerun­gen auf sich nehmen, um den AlbertEins­tein-Platz als Standort zu schwächen.

Noch ist es nicht zu spät, um sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und die Pläne mit dem Ziel einer Rolltreppe neu zu diskutiere­n. Diese Diskussion hätte schon vor etlichen Monaten stattfinde­n müssen: Unklar ist, warum Einzelhand­el und IHK jetzt, kurz vor Beginn der Hochbauarb­eiten, monieren.

Rückblicke und gegenseiti­ge Schuldzuwe­isungen helfen nicht weiter. Es geht jetzt darum, ein für Ulm wichtiges Projekt, vielleicht das wichtigste Vorhaben seit Jahren, einvernehm­lich für die Kunden zu gestalten.

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Von Ludger Möllers

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