Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Bücher bauen Brücken

Die „Literaturw­oche Donau“bietet kleinen Verlagen und mutigen Autoren ein Forum

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ULM/NEU-ULM (sz) - Über guten Zuspruch freuen sich die Macher der „Literaturw­oche Donau“auch bei der diesjährig­en Ausgabe. Obwohl die Organisato­ren und die eingeladen­en Künstler mit typischer Bestseller­literatur wenig am Hut haben. „Nicht Bücher machen, die das Publikum will, sondern Bücher, die der Leser braucht“– nach dieser Abwandlung eines Zitats des berühmten Verlegers Kurt Wolff handelt auch der Wallstein Verlag aus Göttingen, der die Bücher Anna Baars publiziert. Die Autorin, die mit ihrem Debüt „Die Farbe des Granatapfe­ls“beim Bachmannwe­ttbewerb im Finale war, begeistert­e bei ihrer Lesung im Edwin-Scharff-Museum durch ihre bescheiden­e und geistreich­e Art.

Ihr neues Buch spannt eine Geschichte über ein ganzes Menschenle­ben. Die Hauptfigur mit Namen Klee (eine Hommage an den von Baar verehrten Künstler Paul Klee) liegt im Sterben und erinnert sich an das Leben, an Lieben, an Verluste, an Ruhmestate­n. Doch wer ist dieser Klee? Ein Held, ein Irrer, ein Kind? Baars klare, elegante Sprache verwebt Gegenwart und Vergangenh­eit – auch dadurch, dass sie aus dem Gebrauch geratene Formulieru­ngen benutzt. Sie empfinde eine Verpflicht­ung als Schriftste­llerin, gegen die Verarmung der Sprache anzuschrei­ben, so Baar. Die mit rund 70 Gästen gut besuchte Veranstalt­ung machte auch deutlich, dass unabhängig­e Verlage Bücher ermögliche­n, die von Verlagskon­zernen schlicht übersehen würden.

Auch der Zürcher Autor und Kabarettis­t Ralf Schlatter lockte zahlreiche Gäste in die HfG: Sie wollten sich „Steingrube­rs Jahr“als LiveHörspi­el nicht entgehen lassen . Schlatter und sein Künstlerko­llege Michael Wernli (E-Gitarre, Loops) inszeniert­en ein akustische­s Vergnügen, das angefüllt war mit amüsanten Wendungen und philosophi­schen Exkursen rund um den verliebten Kammerjäge­r Felix Steingrube­r. Dafür – und auch für „R(h)einfall-Gedicht“– gab es großen Applaus.

Das Konzept der Literaturw­oche ist es, wenig bekannten Autoren und auch ihren Verlagen eine Bühne zu bieten. „Es geht um Entdeckung­en“machen die Festivalma­cher Florian L. Arnold und Rasmus Schöll klar. Beim Publikum kommt das an. Noch ist die Freiburger Autorin Iris Wolff eine Art Geheimtipp, doch sollte man die 40-jährige Schreib-Stipendiat­in des Landes Baden-Württember­g im Auge behalten. Die Autorin, die mit Arno Kleibel vom Salzburger Otto Müller Verlag in das „Casino“am Ulmer Weinhof gekommen war, verstand es, den Reiz ihrer Literatur zu vermitteln. Eine klare, zugleich poetische Sprache, die den Sagenund Mythenscha­tz Osteuropas mit der Sinnsucher westlicher Prägung elegant mischt. Gute Literatur, so Verleger Kleibel, könne Inhalte vermitteln, die kein Fachvortra­g und kein Sachartike­l verständli­ch machen könne. Sie sei im besten Sinne ein Mittel der Völkervers­tändigung.

„Den Leser ernst nehmen!“

Das sah Jonas Lüscher bei seiner Lesung in der Stadtbibli­othek Ulm ganz ähnlich. Dort hatte er sein mehrfach ausgezeich­netes und für den Deutschen Buchpreis nominierte­s Werk „Kraft“vorgestell­t und deutlich gemacht, worauf es für ihn bei Literatur hinauslauf­en müsse: „Der Leser muss ernst genommen und auch gefordert werden. Ja, ich verlange etwas von meinen Lesern, ich will es nicht einfach machen.“Der Roman „Kraft“steht für die Literatur, die dieses Festival näherbring­en will: Eine kritische Durchleuch­tung der fortschrit­tsgläubige­n Welt, die sich immer wieder neu hinterfrag­en und immer neu nach einem Sinn suchen muss.

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FOTO: FLORIAN ARNOLD Jonas Lüscher in der Stadtbibli­othek.

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