Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Nicht sehr weltmeisterlich
Mexiko schlägt schwaches Deutschland zum Auftakt 1:0 – „Jetzt müssen wir gewinnen“
MOSKAU - Gut reinkommen ins Turnier, so lautete die Losung für den Weltmeister, den Titelverteidiger. Es ging mächtig in die Hose. 0:1 (0:1) gegen Mexiko. Ein erschreckend schwacher Auftritt. Die deutsche Nationalelf war den Mittelamerikanern nicht nur spielerisch, auch physisch unterlegen. Zu langsam, zu unentschlossen.
Hirving Lozano erzielte den Treffer (35.) für Mexiko. Eine deutsche WM-Auftaktpleite gab es zuvor und zum einzigen Mal 1982 in Spanien, als die Algerier Deutschland mit 2:1 schockten. Damals erreichte man dennoch das Finale. Aktuell in dieser Form kaum vorstellbar.
„Dass wir das erste Spiel verloren haben, ist für uns eine absolut ungewohnte Situation. Aber es ist immer irgendwann das erste Mal. Wir haben unser Spiel nicht gezeigt, wie wir das können. Darüber muss man reden, aber wir werden deswegen nicht auseinanderfallen. Wir müssen die Lehren daraus ziehen und es im nächsten Spiel besser machen“, sagte Bundestrainer Joachim Löw, der bisher während eines Turniers nur ganz selten als Krisenmanager gefragt war. Löw weiter: „Jetzt müssen wir gewinnen.“Toni Kroos meinte gar: „Wir müssen sechs Punkte holen.“
Nichts war’s diesmal mit „sofort Selbstvertrauen für den weiteren Verlauf holen“wie Löw gefordert hatte. 2010 und 2014 gab es jeweils ein 4:0, gegen Australien und Portugal.
Miserable Ausgangslage
Durch das 0:1 im Luschniki-Stadion von Moskau hat sich die deutsche Nationalelf eine miserable Ausgangslage verschafft. Kommenden Samstag in Sotschi gegen Schweden muss nun ein Sieg her. Diese Art von Vorrundendruck wollte man sich ersparen.
Ebenso wie die auch innerhalb der Mannschaft schon aufkommende Diskussion um Spielanlage und taktische Ausrichtung: „Wir waren konteranfällig, weil wir die Bälle viel zu einfach vorne verloren haben“, erkannte Toni Kroos, diesmal eher ein verhinderter Taktgeber. Auch Löw analysierte recht schonungslos: „In der ersten Halbzeit haben wir schlecht gespielt, nicht unser gewohntes Offensiv- und Passspiel ins Spiel gebracht, die Räume nicht gut besetzt.“
Rein atmosphärisch war es für die DFB-Elf ein Auswärtsspiel. Sombreros wohin man blickte und FiestaStimmung. Das übertrug sich aufs Feld.
Der amtierende Weltmeister war zwar feldüberlegen, wirkte aber nie zwingend und wirklich gefährlich. Das fehlende Spielglück, siehe den Lattenfreistoß von Kroos (39.), kam hinzu.
Hat Löw zu sehr auf seine Weltmeister von 2014 gesetzt? Zu sehr darauf, dass es die alte Bande wieder richtet? Der Kern dieser Mannschaft ist einen langen Weg miteinander gegangen, zum Teil von der WM 2010 in Südafrika bis heute. Mit der Aufstellung machte der Bundestrainer klar: Er setzt auf Erfahrung, auf sein Gerüst, auf die turniererfahrenen Manuel Neuer, Jérôme Boateng, Mats Hummels, Toni Kroos, Sami Khedira, Mesut Özil und Thomas Müller – sieben Weltmeister, von denen sechs im siegreichen Finale von Rio 2014 auf dem Platz standen.
Neben den einst glorreichen Sieben begann Julian Draxler, der in Brasilien lediglich Joker-Einsätze hatte. Die größte Überraschung war Marvin Plattenhardt, der für den an Grippe erkrankten Jonas Hector kurzfristig in die Startelf rutschte.
Die DFB-Elf wirkte überrascht von den spielstarken Mexikanern, agierte unkonzentriert, fahrig, mit teils wilden, wenig durchdachten Bällen nach vorne. Also doch mit der Nervosität des Titelverteidigers?
Dagegen wirkten die Mexikaner spritziger, giftiger, physisch viel mehr auf der Höhe. Die DFB-Elf versuchte ruhig aufzubauen, über die Routine zu kommen. Doch in der Hitze des Gefechtes liefen nur die Mexikaner heiß. Deren Führung entstand aus einem Konter nach flottem Umschaltspiel. Hummels mit schwe- rem Stellungsfehler an der Mittellinie, rutscht dann auch noch aus, die Abwehr war offen.
Chicharito bediente auf links Lozano, der tanzte (viel zu) locker Özil aus, satter Schuss ins kurze Eck. Neuer ohne Chance – 0:1 (35.).
Die Deutschen wie gelähmt, mit bleiernen Füßen. Die Atmosphäre war nicht nur wie im Aztekenstadion, der Weltmeister lief über den Platz als liege Moskau auf über 2000 Metern Höhe.
Nach der Pause holten sich die Deutschen nach und nach mehr Sicherheit über Zweikämpfe und Ballhoheit, kamen zu mehr Torchancen.
Jedoch ohne Fortune. Auch der eingewechselte VfB-Stuttgart-Stürmer Mario Gomez stach nicht. Der Ausgleich fiel nicht.
Die Mexikaner, am Ende mit einer Fünferkette in der Abwehr, retteten den Sieg über die Zeit.