Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Warum der Kontinent nach rechts rückt
Die Europaabgeordneten Norbert Lins und Andreas Schwab suchen mit Kollegen nach Gründen für das Erstarken des Populismus
UHLDINGEN-MÜHLHOFEN - Spätestens seit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten bestimmt ein Begriff die politische Debatte: Populismus. Sein Erstarken bedeutet eine Zeitenwende. Volksparteien verlieren an Zulauf, radikale Kräfte kriegen mehr Zuspruch. Die Sachlichen verlieren, die Lauten gewinnen. Das gilt auch in Europa. Großbritannien verlässt die EU – der Brexit ist der Sieg eines populistischen Wahlkampfs. Italien, Österreich, Ungarn oder Polen setzen – gerade in Fragen der Migration – auf Alleingänge.
Die baden-württembergischen CDU-Europaabgeordneten Norbert Lins und Andreas Schwab haben am Samstag nach Ursachen für das Erstarken des Populismus gesucht – und nach möglichen Lösungen. Sie hatten zur Bodenseekonferenz nach Uhldingen-Mühlhofen geladen. Ihre Gäste in Schloss Maurach waren zwei Kollegen in der EU-Parlamentsfraktion der Europäischen Volkspartei (EVP): Herbert Dorfmann von der Südtiroler Volkspartei und der österreichische ÖVP-Europaabgeordnete Lukas Mandl. Doch was bedeutet Populismus? Dorfmanns Antwort: „Eigentlich meint Populismus die Stimme des Volkes.“Dies müsse zunächst nichts Schlechtes sein.
Populisten sprechen jedoch vor allem die Sprache der Unzufriedenen. Die Wahl der beiden Regierungsparteien, der rechtspopulistischen Lega Nord und der euroskeptischen Protestbewegung Cinque Stelle, sei Ausdruck dafür. „Cinque Stelle ist ein Mix aus Menschen, die enttäuscht sind und von der Wirtschaftskrise getroffen wurden.“Dies treffe auch auf die Lega Nord zu. Zudem hätten junge Menschen ihrer Frustration Luft machen wollen.
Auch in Österreich hat sich die Politik bei der vergangenen Wahl nach rechts verschoben. Kanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP koaliert in der Alpenrepublik mit der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Die Freiheitlichen gelten als Rechtspopulisten – wogegen der ÖVP-Europaabgeordnete Lukas Mandl aber widerspricht. „Die Verbreitung falscher Fakten, Verschwörungstheorien und eine destruktive Politik“seien Eigenschaften populistischer Politiker. „In der Regierungswirklichkeit in Österreich trifft nichts darauf zu.“Im Gegenteil, „Österreich ist europapolitisch aktiver als vorher“.
Populisten wollen Isolation
Die Abschottung ist Populisten gemein. Ob der französische rechtsradikale Front National, die AfD, US-Präsident Donald Trump oder eben FPÖ und Lega Nord: Sie wollen sich isolieren und nationale Antworten auf globale Fragen geben. Sie stilisieren sich als Vorkämpfer der „kleinen Leute“, als Mitstreiter in der Schlacht gegen ein politisches „Establishment“. Dabei erklären sie die Medien zu Verbündeten der Politik. An ihrer Rolle als unabhängiger und kritischer Konterpart zur Politik hat sich jedoch nichts geändert. Mandl sieht daher „die Pressefreiheit in Gefahr“, die Grundlage ist „für eine liberale Gesellschaft“. Heute könne jeder per Knopfdruck Nachrichten publizieren, auch falsche. Das Problem sei durch das Internet allgegenwärtig. Vor allem US-Präsident Donald Trump beherrsche dieses Spiel auf der KeyboardKlaviatur. Doch auch in Deutschland sind „Fake News“präsent.
Auf das Erstarken des Populismus, auch in Gestalt der AfD, habe man noch keine „kompletten Antworten“gefunden, so Lins, gerade in Deutschland, das „historischen Wohlstand“erreicht habe. Der Südtiroler Dorfmann riet dazu: „Wenn wir die Sorgen der Menschen nicht ernst nehmen, dann läuft es nicht.“Als Beispiel führte er das Thema Migration an. Die Migration sei eines der wichtigsten Themen des italienischen Wahlkampfs gewesen, die sozialdemokratische Partito Democratico habe dieses „total verschlafen“– und sei abgestraft worden.