Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Vom Chefsessel in Untersuchungshaft
Audi-Chef Rupert Stadler wandert wegen Verdunkelungsgefahr hinter Gitter
INGOLSTADT/WOLFSBURG (dpa) Im Abgasskandal haben Ermittler erstmals einen Spitzenmanager des Volkswagen-Konzerns verhaftet. Audi-Chef Rupert Stadler kam am Montag wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft. Damit geht bei Audi eine Ära unrühmlich zu Ende: Stadler lenkte gut elf Jahre die Geschicke des Autobauers mit den vier Ringen.
Wie es mit Stadler im Unternehmen weitergeht, war am Abend noch offen: Der Aufsichtsrat tagte, wurde sich aber nicht einig: „Die Aufsichtsräte von Volkswagen AG und Audi AG haben heute noch keine Entscheidung getroffen und prüfen die Sachlage weiterhin“, teilte ein Sprecher schriftlich mit.
Schon seit der Aufdeckung des Dieselskandals im Herbst 2015 galt Rupert Stadler als Audi-Chef auf Abruf. VW-Konzernchef Martin Winterkorn und sechs Audi-Vorstände mussten ihren Hut nehmen – Stadler blieb. Er trage keine Schuld; nicht einmal im Falle einer Anklage sähe er einen Grund für einen Rücktritt, hatte Stadler gesagt. Selbstbewusst und aufgeräumt präsentierte er noch vor wenigen Wochen seinen „Angriffsplan 2022“und zeigte sich optimistisch, dass er die Früchte als Vorstandschef dann selbst ernten werde.
Aber in nur einer Woche hat sich der Wind vollkommen gedreht. Am vorvergangenen Montag hatte die Staatsanwaltschaft München ein Ermittlungsverfahren gegen Stadler und einen weiteren Audi-Vorstand eingeleitet und ihre Wohnungen durchsucht. Mit der Untersuchungshaft will die Behörde nun eine mögliche Beeinflussung von Zeugen oder Beschuldigten im Dieselskandal verhindern. Es habe Hinweise gegeben, „dass die Gefahr einer Verdunkelungshandlung besteht. Und das hat zu dem Haftbefehl geführt“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Ein VW-Sprecher betonte, es gelte nach wie vor die Unschuldsvermutung.
Betrug und Falschbeurkundung
Die Ermittler werfen Stadler und dem anderen Audi-Vorstand Betrug und Falschbeurkundung im Zusammenhang mit den Abgasmanipulationen des VW-Konzerns vor. Die beiden hätten Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung in Europa wissentlich in den Verkehr gebracht. Stadler soll nach der Aufdeckung der Manipulationen in den USA von den falschen Abgaswerten auch in Europa gewusst haben, aber anders als in den USA keinen Vertriebsstopp angeordnet haben. Die Ermittler stützten sich auf die Auswertung von Korrespondenz, verlautete aus Ermittlerkreisen.
Stadler sei am Montagvormittag an seinem Wohnort festgenommen und dann der Ermittlungsrichterin vorgeführt worden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in München. Stadler habe noch keine Angaben zur Sache gemacht, wolle sich aber nach Absprache mit seinem Verteidiger äußern. Wo der Manager einsitzt, sagte der Staatsanwalt nicht.
Der Bauernsohn aus dem oberbayerischen Titting hatte an der Fachhochschule Augsburg Betriebswirtschaft studiert, fing bei Audi im Vertrieb an und wurde später Bürochef von VW-Konzernchef Ferdinand Piëch in Wolfsburg. 2003 kehrte er als Audi-Finanzvorstand nach Ingolstadt zurück und wurde 2007 Nachfolger von Vorstandschef Martin Winterkorn, der VW-Konzernchef wurde. Das Jahr 2015 war Höheund Wendepunkt seiner erstaunlichen Karriere.