Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Hat sich Jogi Löw verzockt?
Weltmeisterschaft: Fußballexperten suchen nach Erklärungen für vermasselten Auftakt
NEU-ULM - Die falsche Taktik, unmotivierte Spieler, eine schwache Defensive, eine schwache Offensive, Kicker außer Form und so weiter. Kritikpunkte gibt es viele und von allen Seiten, die gerade auf die deutsche Nationalmannschaft einhageln. Mit 0:1 hat sie ihr Auftaktspiel bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland gegen Mexiko verloren.
Ein ordentlicher Stimmungsdämpfer für die deutschen Zuschauer und das Team um Trainer Joachim Löw. Die Deutschen reihen sich damit ein in die Liste der Topteams, die zu Beginn der WM mit Defiziten zu kämpfen haben. Argentinien und Brasilien spielten beispielsweise nur Unentschieden. Als Ausrede lässt das Markus Deibler aber nicht zählen. Der Trainer von Türkspor Neu-Ulm sagt: „Die deutsche Mannschaft muss auf sich schauen.“Und da gibt es seiner Meinung nach eine Menge Punkte, die verbessert werden müssen. Vergangene Woche sagte er schon in unserer Zeitung, dass er nach den schwachen Testspielen gegen Österreich und Saudi-Arabien eine schwere WM erwarte.
Jetzt meint er: „Gegen Mexiko hat sich abgespielt, was sich schon in der Vorbereitung gezeigt hat.“Im Defensiv-Verhalten der Mannschaft sieht er das größte Problem. Exemplarisch nennt er die Rückwärtsbewegung von Thomas Müller – die kaum existent gewesen sei. So musste Joshua Kimmich die rechte Seite abdecken, konnte das wegen seiner Offensivaufgaben aber nur bedingt tun. Beim Gegentreffer war die rechte Verteidigungsseite dementsprechend blank. Auch Trainer Löw habe sich bei der Aufstellung etwas verzockt, sagt Deibler. Er hätte Marco Reus und Mario Gomez früher ins Spiel gebracht.
Auch Gerhard Noller hat einige Kritikpunkte. Der Fußball-Abteilungsleiter des TSV Neu-Ulm wirft dem Bundestrainer ein Verhalten vor, dass der sich schon oft ankreiden lassen musste: sein Festhalten an etablierten Spielern. Thomas Müller und Mesut Özil seien gegen Mexiko „Totalausfälle“gewesen, sagt Noller. Und: „Toni Kroos und Sami Khedira waren zu langsam in der Rückwärtsbewegung.“ Er hatte außerdem den Eindruck, dass einige Spieler satt von ihren Erfolgen sind. Deshalb wünscht er sich von Jogi Löw, dass der einige „Denkmäler stürzt“, um den motivierten Spielern von der Bank eine Chance zu geben. „Wenn er die richtigen Schlüsse zieht, kann Deutschland gewinnen“, sagt Noller.
An die Nationalmannschaft glaubt auch Roland Zeh, Abteilungsleiter beim TSV Buch. „Ich sehe nicht schwarz“, sagt er. Er geht davon aus, dass die DFBAuswahl ihre beiden verbleidenden Gruppenspiele gegen Schweden und Südkorea gewinnen wird und es bis ins Endspiel schafft. Dafür müsse eine stärkere Leistung folgen. „Gegen Mexiko haben die Leistungsträger versagt und schlecht nach hinten gearbeitet. Das war eine schlechte Mannschaftsleistung.“
Buchs Trainer Harry Haug stimmt dem zu. „Das hat sich schon in der Vorbereitung abgezeichnet.“Zwar sei die zweite Halbzeit besser gewesen als die erste aber „die Lockerheit und Sicherheit haben gefehlt.“Der Lage kann er trotzdem etwas Positives abgewinnen: „Jetzt ist der Druck höher. Das schadet manchmal nicht.“