Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Bruderstreit mit tödlichem Ausgang
Landgericht Hechingen verhängt Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge
PFULLENDORF/HECHINGEN - Wegen Körperverletzung mit Todesfolge hat das Landgericht Hechingen am Donnerstag einen Mann aus dem Raum Pfullendorf zu 20 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Der 53-Jährige hatte seinen jüngeren Bruder im Januar 2017 bei der Wohnung der gemeinsamen Mutter in Meßkirch so heftig attackiert, dass das Opfer drei Monate später den Folgen seiner Verletzungen erlag. „Es handelt sich um eine Familientragödie mit tödlichem Ausgang“, sagte der Vorsitzende Richter Hannes Breucker in seiner Urteilsbegründung.
Zum Prozessauftakt am Montag hatte der 53-jährige Angeklagte ausgesagt, dass er sich mit seinem jüngeren Bruder eigentlich immer gut verstanden habe. Das änderte sich, als dieser einen ausgeliehenen Drucker nicht zurückgab. Als er im August 2016 dann auch noch die Unterschrift des älteren Bruders in einem offiziellen Schreiben fälschte, war das Verhältnis endgültig zerrüttet.
Starke Schäden durch Vorerkrankung
Am 14. Januar eskalierte der Streit. Zufällig begegneten sich die Brüder bei der Wohnung der Mutter. Nachdem der jüngere den älteren offenbar provoziert hatte, lieferten sich die beiden eine verbale und handfeste Auseinandersetzung. Der jüngere griff dabei nicht nur auf Beschimpfungen und Beleidigungen zurück, sondern auch auf ein Pfefferspray. Der ältere wiederum teilte Faustschläge und Tritte aus und zog seinen Kontrahenten derart heftig an den Haaren, dass er ihm dabei einen Halswirbel brach. Wegen diverser Vorerkrankungen, unter anderem an der Wirbelsäule, hinterließ diese Attacke beim Opfer ungewöhnlich starke Schäden. Wie Rechtsmediziner Prof. Erich Miltner gestern erläuterte, führte die Verkettung der unglücklichen Umstände erst zur Bettlägerigkeit des 50-Jährigen und diese dann wiederum zu einer schweren Lungenentzündung. Auf diese folgten im April 2017 schließlich der Kreislaufstillstand und der Tod des Mannes. „Ohne die Verletzung an der Wirbelsäule wäre er nicht gestorben“, sagte Miltner.
Staatsanwalt Fabian Kalmbach forderte eine Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. In seinem Plädoyer sprach er von einem „sehr tragischen Fall“. Der 53-Jährige sei am Tattag hoch aggressiv gewesen und habe seinen Bruder zwar nicht töten, wohl aber verletzen wollen. „Sie kannten seine Vorerkrankungen“, sagte Kalmbach. „Sie hätten damit rechnen müssen, dass Ihr Angriff zu Komplikationen führen kann.“
Zu einer Minderung des Strafrahmens führe allerdings die möglicherweise eingeschränkte Schuldfähigkeit des Täters, so der Staatsanwalt. Wie der psychiatrische Sachverständige Dr. Peter Winckler erläutert hatte, leidet der 53-Jährige bereits seit Jahren an einer manisch-depressiven Erkrankung. Noch im November 2016 empfahl ihm die behandelnde Ärztin deshalb eine stationäre Behandlung und die Einsetzung eines Betreuers. „Hätte er auf sie gehört, wäre die Tat nicht erfolgt“, sagte Winckler. Verteidiger Alwin Beuter stellte die psychische Verfassung seines Mandanten in den Mittelpunkt seines Plädoyers. „So wie sein Bruder körperlich gebrechlich war, so war mein Mandant in seelischer Hinsicht gebrechlich“, sagte der Rechtsanwalt. „Er war psychisch schwer krank und das wusste auch sein Opfer.“Hätte sich der Bruder am Tattag vernünftig verhalten, wäre nichts passiert. Auch Beuter sprach von einem tragischen Fall. „Aus dem kleinen Bruder ist ein Feind geworden“, sagte er. Der Verteidiger appellierte an das Gericht, auch eine geringere als von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafe zu prüfen.
Urteil bereits rechtskräftig
Richter Hannes Breucker ließ keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte die Schuld am Tod seines Bruders trage. „Sie haben den Tod Ihres Bruders verursacht, ohne dass Sie den tödlichen Ausgang beabsichtigt hätten“, sagte er. Bei der Festlegung des Strafmaßes berücksichtigte Breucker zum einen, dass der 53-Jährige von seinem Bruder provoziert worden war. Zum anderen verwies er auf die psychische Erkrankung des Angeklagten. Eine Bewährungsstrafe halte er für angemessen. Darüber hinaus muss der Mann seine Psychotherapie fortsetzen und 50 Stunden gemeinnütziger Arbeit absolvieren. „Die Umstände dieses Falles machen es sehr wahrscheinlich, dass Sie keine Straftat mehr begehen, insbesondere keine Gewaltstraftat“, sagte der Richter. „Zudem gehen wir davon aus, dass Sie Ihr Leben lang mit diesem Vorgang behaftet sein werden.“Das Urteil ist bereits rechtskräftig.