Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Hautnah dran an Mario Götze
Filmemacher Aljoscha Pause zeichnet das Porträt eines Menschen
RAVENSBURG - Hätte das desaströse Auftreten der deutschen Nationalmannschaft beim WM-Auftakt gegen Mexiko mit ihm vielleicht verhindert werden können? Die Antwort auf diese spannende Frage bleibt die vierteilige Dokumentation „Being Mario Götze“leider schuldig. Ansonsten aber beseitigt Filmemacher Aljoscha Pause nahezu alle Unklarheiten rund um das Ausnahmetalent.
Sieben Monate lang hat er Götze für den Streamingdienst DAZN bis in die privatesten Winkel begleitet. Entstanden ist ein einfühlsames, informatives, mit fast vier Stunden Dauer aber etwas zu ausschweifendes Porträt eines Menschen, nicht nur eines Spitzenfußballers. Zumindest das hat der von Jogi Löw jäh ausgebremste Russlandfahrer seinen Kollegen voraus, die am Samstag gegen Schweden ums fußballerische Überleben kämpfen müssen.
Was aber treibt den 26-Jährigen, der in Memmingen geboren wurde und in Dortmund aufgewachsen ist, an zu diesem umfangreichen SeelenStriptease? Ruhm und Geld? Wohl kaum, denn daran mangelt es im Hause Götze eher nicht. Nein, der „Instinktfußballer, der Räume auf dem Spielfeld entdeckt, die andere überhaupt nicht sehen“(Erfolgstrainer und Übervater Jürgen Klopp), fühlt sich missverstanden von Medien und Öffentlichkeit, die ihn für verschlossen und emotionslos halten. Bei Interviews, glaubt Götze, bleibe immer nur das Falsche hängen. „Das aber bin ich nicht.“Ein Star poliert mit hübschen Bildern an seinem Image und erklärt Entscheidungen und Entwicklungen, die viele bis heute nicht nachvollziehen können, ihm teilweise sogar übelgenommen haben.
Etwa den Wechsel aus Dortmund zum Rivalen Bayern München – nicht nur für BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke eine „komplett falsche Entscheidung“, die Götze seiner Leichtigkeit auf dem Spielfeld beraubt habe, die ihn in der geborgenen Dortmunder Atmosphäre ausgezeichnet habe. Auch deshalb sei es wohl nichts geworden mit dem „zweiten Lionel Messi“.
Nicht mit Messi vergleichen
Naturgemäß sieht Götze – inzwischen zurück beim BVB – das ganz anders: „Mich mit Messi zu vergleichen, ist unmöglich.“Und rückblickend sei der Wechsel alles andere als ein Fehler gewesen, eine Riesenerfahrung vielmehr und die einmalige Chance, mit dem bewunderten Trainer Pep Guardiola zusammenzuarbeiten. Dass Geld an dieser Stelle nicht erwähnt wird, mag man dem 26-Jährigen noch verzeihen, dass er das Ausmaß der Reaktionen der treuesten Dortmunder Fans offenbar als zu hart empfunden hat, gehört hingegen eher in die Kategorie Blauäugigkeit.
Sei’s drum, gründlich nachgearbeitet hat die Dokumentation dieses Kapitel mit zahlreichen Interviews (Jürgen Klopp, Matthias Sammer, Hans-Joachim Watzke, Toni Kroos) auf jeden Fall. Ähnlich erhellend dann auch die Folge, die nachvollziehbar erklärt, dass Götzes Siegtor im WM-Finale 2014 nicht nur Glücksmoment, sondern auch übergroße Bürde für einen jungen Menschen gewesen ist. Sehenswert ebenso die Sequenzen, die den vom unbändigen Ehrgeiz Getriebenen zeigen, der seinen Körper so lange schindet, bis dieser seinen Dienst versagt – bedingt durch eine Stoffwechselerkrankung. Hier entfaltet der Vierteiler dann seine wahren Stärken.
Ein kleines bisschen Abrechnung mit Ex-Trainer Guardiola („seine Empathie ist nicht besonders ausgeprägt“) und Dortmunds Trainer Peter Stöger, der Götze öffentlich demontiert hatte, ist das Ganze natürlich auch geworden. Aber nur dezent. Dominiert wird „Being Mario Götze“von einem ehrlich und sympathisch wirkenden und durchaus reflektierten Menschen. Mission erfüllt, Herr Götze.