Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Die zerstrittenen Lager im Flüchtlingskonflikt
Europäische Lösungen oder nationale Alleingänge, Umverteilung oder Abweisung: Ein Überblick über die Positionen in der Asylpolitik
BERLIN (AFP) - Der Streit um die Flüchtlingspolitik droht nicht nur CDU und CSU zu spalten, sondern auch Europa. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf europäische Vereinbarungen setzt, sehen ihre Kontrahenten in Härte und Abschottung die Lösung. Ein Überblick über die wichtigsten Akteure:
Horst Seehofer: Der Bundesinnenminister hat ein Maßnahmenpaket zur Migration erarbeitet, die Zurückweisung bestimmter Flüchtlinge an der Grenze ist ein Teil davon. Der CSU-Chef begründet dies mit der Sicherheit in Deutschland und der Stimmung in der Bevölkerung. Um seine Linie durchzusetzen, scheint er sogar zum Bruch mit der CDU bereit, mit einem Zerfall der Regierung als Folge. Kritiker werfen Seehofer vor, nur die bayerischen Landtagswahlen im Herbst im Blick zu haben. Doch in der CDU wird auch vermutet, dass Seehofer Merkels Sturz zum Ziel hat.
Angela Merkel: Die Kanzlerin ist eine Getriebene. Unter dem Druck der CSU hat sie zugesagt, bis Monatsende über bilaterale Abkommen zu Zurückweisungen zu verhandeln. Doch in Europa schlägt ihr überwiegend Ablehnung entgegen, wichtige Verbündete sind Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und EUKommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Emmanuel Macron: Der französische Präsident wirbt zusammen mit Kanzlerin Merkel für gemeinsame EU-Asylstandards und mehr Solidarität bei der Verteilung von Flüchtlingen. Kritiker auch in seiner eigenen Partei werfen Macron Doppelmoral vor: Denn Frankreich weist an der Grenze zu Italien systematisch Flüchtlinge ab.
Matteo Salvini: Unter der neuen Regierung geht Rom auf Konfrontationskurs zu Merkel. Treibende Kraft ist Innenminister Matteo Salvini, Chef der fremdenfeindlichen Lega. Er weigert sich, bereits in Italien registrierte Asylbewerber wieder zurückzunehmen. Damit droht er, Merkels Plan für bilaterale Abkommen zum Scheitern zu bringen. Stattdessen zeigt sich Rom offen für die Zusammenarbeit mit EU-Staaten wie Österreich, die ebenfalls auf mehr Härte drängen.
Sebastian Kurz: Österreichs Bundeskanzler will mit einer „Achse der Willigen“eine restriktivere Migrationspolitik in Europa durchsetzen. Er wirbt dabei für eine regionale Zusammenarbeit zwischen Rom, Wien und Berlin – wobei er insbesondere Seehofer im Blick hat. Sollte Deutschland die Grenzkontrollen verschärfen, kündigte Kurz seinerseits Kontrollen an Österreichs Südgrenzen an. Zugleich positioniert er sich als Vermittler zwischen den westlichen EU-Mitgliedern und den osteuropäischen Staaten, die eine Flüchtlingsaufnahme strikt ablehnen. Ab 1. Juli übernimmt Österreich die EU-Ratspräsidentschaft und will dem Schutz der EU-Außengrenzen Priorität einräumen.
Jean-Claude Juncker: Der EUKommissionspräsident versucht seit der Flüchtlingskrise vergeblich, eine Umverteilung von Flüchtlingen aus den stark belasteten Ankunftsländern im Süden Europas auf alle EUStaaten durchzusetzen. Jetzt hat die Kommission eine massive Aufstockung der Grenz- und Küstenschutzbehörde Frontex von 1000 auf 10 000 Beamte vorgeschlagen sowie eine stärkere finanzielle Unterstützung von Ländern bei der Flüchtlingsaufnahme.