Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Hitzige Debatte wegen Tempo 30
Erst einmal keine weiteren 30er Zonen in Westerheim – Räte sehen Akzeptanzproblem
WESTERHEIM - Ein Westerheimer Dauerthema ist bei der jüngsten Gemeinderatssitzung in die nächste Runde gegangen: Wird es in Wohngebieten flächendeckend ein Tempolimit von 30 geben? Diese Frage muss vertagt werden. Am Dienstag lehnte die Mehrheit des Rates einen Antrag zur flächendeckenden Einführung von Tempo 30 ab. Weil sich Autofahrer schon jetzt nicht an die bestehende Tempo 30-Regelung halten.
Bereits 2010 lehnten die Westerheimer ein Tempolimit von Tempo 30 in ausgewählten Wohngebieten in einem Bürgerentscheid ab. Der Entscheid ist seit fünf Jahren aber nicht mehr bindend – und die Diskussionen werden bis heute fortgeführt. Anfang 2017 stellten Teile des Gemeinderates den Antrag, das Thema wieder zu diskutieren. Die Folge: Im Bereich der Schule, der Albhalle und beim „Haus für Kinder“gilt für Autofahrer nun: Tempo 30. Die Fraktion der „Aktiven Bürger“will nun aber mehr. „Wir setzen uns dafür ein, ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern in allen zulässigen Bereichen beim Gemeindeverwaltungsverband zu beantragen“, las Pius Kneer aus seinem Antrag vor, der diesen stellvertretend für die „Aktiven Bürger“bei der Gemeinderatssitzung einreichte.
„Wir sehen ein deutliches Akzeptanzproblem, sich an das schon bestehende Tempolimit zu halten. Dieses Problem resultiert aus den unterschiedlichen Handhabungen der Geschwindigkeitsbegrenzung in anderen Westerheimer Gebieten“, begründete Kneer den Vorstoß. So würden besonders Anwohner aus Gebieten, in denen weiterhin Tempo 50 erlaubt ist, zu schnell fahren; eben, weil sie die unterschiedliche Herangehensweise nicht akzeptierten, so Kneer.
In einem Punkt stimmen die Räte überein: Die Tempo 30-Zonen würden zu oft ignoriert. Diese Einschätzungen ergab sich für die Räte aus Messungen, die die Gemeinde durch den Gemeindeverwaltungsverband (GVV) durchführen ließ. Diese zeigen, dass im Bereich der Albhalle, in der Goethestraße sowie im Bereich der
Schule die Geschwindigkeit um im Schnitt etwa 20 Stundenkilometer überschritten wird. Wenigstens das „Haus für Kinder“bringt Autofahrer dazu, vom Gas zu gehen. Hier liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit bei knapp unter 50. Dies soll aber nicht folgenlos bleiben:
Der GVV kündigte „bauliche Maßnahmen“in den betroffenen Straßen an, sollten Autofahrer die Begrenzung weiter nicht einhalten. Möglich scheinen Verkehrsinseln, Rampen oder verengte Straßen. „Das Akzeptanzproblem anzugehen, steht an erster Stelle, bevor wir weitere 30er-Zonen einrichten“, entgegnete Bürgermeister Hartmut Walz, dem wie der Mehrheit des Gemeinderates der Vorstoß der „Aktiven Bürger“zu schnell ging. Stattdessen hält er es für dringender, sich mit besagten baulichen Maßnahmen „auseinanderzusetzen“.
Die fehlende Akzeptanz von Autofahrern der bestehenden Tempo-30 Zonen zum Anlass zu nehmen, keine weiteren Zonen einzurichten, ist für Pius Kneer aber das falsche Signal. „Das wäre eine Kapitulation vor denjenigen, die sich nicht an die Regeln halten.“Dass weitere Zonen künftig aber nicht auszuschließen sind, machte Bürgermeister Hartmut Walz trotzdem klar. Jedoch will er erst einmal weitere Messungen und Zahlen sehen davon, wie schnell Autofahrer in den Wohngebieten tatsächlich unterwegs sind – ob in 30er-Zonen oder anderen Bereichen.
Vorstoß kommt zu früh
Den Antrag der „Aktiven Bürger“lehnte der Gemeinderat dann mehrheitlich ab. Zu früh komme der Vorstoß, zu groß sei noch das Akzeptanzproblem. „Ich will keine 30er-Schilder, ich will 30!“, so fasste ein Ratsmitglied die Argumente vieler andere Räte zusammen.
Auch unter Bürgern führt Tempo 30 weiter zu hitzigen Debatten. Bei den Bürgerfragen hielt ein Bürger ein Plädoyer gegen weitere 30er-Zonen. Durch die Begrenzung würden Autofahrern die Eigenverantwortlichkeit genommen. Zudem kritisierte er, dass die Messungen zu Zeiten vorgenommen würden, in denen sehr wenige Fußgänger oder Radfahrer unterwegs gewesen seien. „Morgens um 6 Uhr dort 50 zu fahren, ist eindeutig zu verantworten“, fand der Bürger. Zudem lägen Radarfallen und Kontrollen nicht in der Hand der Gemeinde. Die Gemeinde schütze ihre Bürger also nicht davor, nachts in einer 30er-Zone den Führerschein zu verlieren.
Insgesamt hitzig verliefen die Debatten bei der Sitzung. So hitzig, dass anwesende Bürger sich über die Atmosphäre sehr perplex zeigten. „Manchmal habe ich das Gefühl, es geht nicht um die Sache, sondern um Sticheleien und Nebenkriegsschauplätze. Das macht mit Sorgen“, merkte ein Zuhörer am Ende an.