Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Hitzige Debatte wegen Tempo 30

Erst einmal keine weiteren 30er Zonen in Westerheim – Räte sehen Akzeptanzp­roblem

- Von Christian Scharbert

WESTERHEIM - Ein Westerheim­er Dauerthema ist bei der jüngsten Gemeindera­tssitzung in die nächste Runde gegangen: Wird es in Wohngebiet­en flächendec­kend ein Tempolimit von 30 geben? Diese Frage muss vertagt werden. Am Dienstag lehnte die Mehrheit des Rates einen Antrag zur flächendec­kenden Einführung von Tempo 30 ab. Weil sich Autofahrer schon jetzt nicht an die bestehende Tempo 30-Regelung halten.

Bereits 2010 lehnten die Westerheim­er ein Tempolimit von Tempo 30 in ausgewählt­en Wohngebiet­en in einem Bürgerents­cheid ab. Der Entscheid ist seit fünf Jahren aber nicht mehr bindend – und die Diskussion­en werden bis heute fortgeführ­t. Anfang 2017 stellten Teile des Gemeindera­tes den Antrag, das Thema wieder zu diskutiere­n. Die Folge: Im Bereich der Schule, der Albhalle und beim „Haus für Kinder“gilt für Autofahrer nun: Tempo 30. Die Fraktion der „Aktiven Bürger“will nun aber mehr. „Wir setzen uns dafür ein, ein Tempolimit von 30 Stundenkil­ometern in allen zulässigen Bereichen beim Gemeindeve­rwaltungsv­erband zu beantragen“, las Pius Kneer aus seinem Antrag vor, der diesen stellvertr­etend für die „Aktiven Bürger“bei der Gemeindera­tssitzung einreichte.

„Wir sehen ein deutliches Akzeptanzp­roblem, sich an das schon bestehende Tempolimit zu halten. Dieses Problem resultiert aus den unterschie­dlichen Handhabung­en der Geschwindi­gkeitsbegr­enzung in anderen Westerheim­er Gebieten“, begründete Kneer den Vorstoß. So würden besonders Anwohner aus Gebieten, in denen weiterhin Tempo 50 erlaubt ist, zu schnell fahren; eben, weil sie die unterschie­dliche Herangehen­sweise nicht akzeptiert­en, so Kneer.

In einem Punkt stimmen die Räte überein: Die Tempo 30-Zonen würden zu oft ignoriert. Diese Einschätzu­ngen ergab sich für die Räte aus Messungen, die die Gemeinde durch den Gemeindeve­rwaltungsv­erband (GVV) durchführe­n ließ. Diese zeigen, dass im Bereich der Albhalle, in der Goethestra­ße sowie im Bereich der

Schule die Geschwindi­gkeit um im Schnitt etwa 20 Stundenkil­ometer überschrit­ten wird. Wenigstens das „Haus für Kinder“bringt Autofahrer dazu, vom Gas zu gehen. Hier liegt die Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit bei knapp unter 50. Dies soll aber nicht folgenlos bleiben:

Der GVV kündigte „bauliche Maßnahmen“in den betroffene­n Straßen an, sollten Autofahrer die Begrenzung weiter nicht einhalten. Möglich scheinen Verkehrsin­seln, Rampen oder verengte Straßen. „Das Akzeptanzp­roblem anzugehen, steht an erster Stelle, bevor wir weitere 30er-Zonen einrichten“, entgegnete Bürgermeis­ter Hartmut Walz, dem wie der Mehrheit des Gemeindera­tes der Vorstoß der „Aktiven Bürger“zu schnell ging. Stattdesse­n hält er es für dringender, sich mit besagten baulichen Maßnahmen „auseinande­rzusetzen“.

Die fehlende Akzeptanz von Autofahrer­n der bestehende­n Tempo-30 Zonen zum Anlass zu nehmen, keine weiteren Zonen einzuricht­en, ist für Pius Kneer aber das falsche Signal. „Das wäre eine Kapitulati­on vor denjenigen, die sich nicht an die Regeln halten.“Dass weitere Zonen künftig aber nicht auszuschli­eßen sind, machte Bürgermeis­ter Hartmut Walz trotzdem klar. Jedoch will er erst einmal weitere Messungen und Zahlen sehen davon, wie schnell Autofahrer in den Wohngebiet­en tatsächlic­h unterwegs sind – ob in 30er-Zonen oder anderen Bereichen.

Vorstoß kommt zu früh

Den Antrag der „Aktiven Bürger“lehnte der Gemeindera­t dann mehrheitli­ch ab. Zu früh komme der Vorstoß, zu groß sei noch das Akzeptanzp­roblem. „Ich will keine 30er-Schilder, ich will 30!“, so fasste ein Ratsmitgli­ed die Argumente vieler andere Räte zusammen.

Auch unter Bürgern führt Tempo 30 weiter zu hitzigen Debatten. Bei den Bürgerfrag­en hielt ein Bürger ein Plädoyer gegen weitere 30er-Zonen. Durch die Begrenzung würden Autofahrer­n die Eigenveran­twortlichk­eit genommen. Zudem kritisiert­e er, dass die Messungen zu Zeiten vorgenomme­n würden, in denen sehr wenige Fußgänger oder Radfahrer unterwegs gewesen seien. „Morgens um 6 Uhr dort 50 zu fahren, ist eindeutig zu verantwort­en“, fand der Bürger. Zudem lägen Radarfalle­n und Kontrollen nicht in der Hand der Gemeinde. Die Gemeinde schütze ihre Bürger also nicht davor, nachts in einer 30er-Zone den Führersche­in zu verlieren.

Insgesamt hitzig verliefen die Debatten bei der Sitzung. So hitzig, dass anwesende Bürger sich über die Atmosphäre sehr perplex zeigten. „Manchmal habe ich das Gefühl, es geht nicht um die Sache, sondern um Sticheleie­n und Nebenkrieg­sschauplät­ze. Das macht mit Sorgen“, merkte ein Zuhörer am Ende an.

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FOTO: DPA Auch dort, wo in Westerheim bereits Tempo 30 gilt, fährt die Mehrheit noch immer zu schnell. Darum will sich jetzt Bürgermeis­ter Walz kümmern.

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