Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Der Ursprung der Urständ
Im Nachklapp zur deutschen WM-Pleite ging es hier am letzten Freitag um die Schadenfreude, die derzeit fröhliche Urständ feiert. Zugegeben, diese Redewendung klingt etwas abgenutzt, und eigenartig ist sie obendrein. Wolf Schneider, unser bekanntester Sprachkritiker der letzten Jahrzehnte, befand einmal, es sei eine „Floskel, die die meisten Leser noch nie verstanden haben“. Also sollten wir fast ein paar Worte darüber verlieren.
Mit fröhliche Urständ feiern meint man, dass etwas wiederauftaucht, das schon vergessen, überholt oder überwunden schien. So war es in der WM-Glosse auch gemeint: Bei all der Euphorie im Vorfeld galt jeder Gedanke an ein Scheitern der Fußballnationalmannschaft in der Vorrunde als irreal – bis er dann bittere Realität wurde und urplötzlich ein Tsunami voller Spott und Hohn durch Deutschland schwappte.
Nun zur Herkunft: Die Urständ – ein Singular, kein Plural, wie man meinen könnte – ist nichts anderes als
die Auferstehung. Urstendi – zu irstantan (erstehen) – war im Althochdeutschen der Begriff für das freudige Geschehen am Ostermorgen, da Jesus nach christlichem Glauben dem Grab entstieg. „Christ ist erstanden“heißt es ja auch in einem der ältesten Gesänge zum Osterfest. Noch 1623 finden wir das Wort urstendi, nun in der Form Urständ, in einem Kirchenlied Friedrich von Spees: „Die ganze Welt, Herr Jesu Christ, Halleluja, Halleluja, / in deiner Urständ fröhlich ist. Halleluja, Halleluja.“
Dieser 1591 geborene von Spee ist übrigens eine bemerkenswerte Gestalt: Der Jesuit war hochbegabter Theologieprofessor und Schöpfer von Kirchenliedern zugleich. Sein größtes Verdienst ist allerdings sein Kampf gegen die Hexenprozesse, den er während des Dreißigjährigen Krieges als einer der ersten mit allem Nachdruck führte und der letztlich auch ein Auslöser für das Ende dieses Wahnsinns war. Bei der Pflege von pestkranken Soldaten in Trier steckte von Spee sich an und starb 1635. Zurück zu Urständ: Im allgemeinen Sprachgebrauch wurde das Wort vom 17. Jahrhundert an durch Auferstehung abgelöst und blieb nur noch in besagter Floskel mit altertümlicher Note erhalten.
Dieses verkappte Fortleben eines althochdeutschen Begriffs kennen wir auch in einem anderen Fall: Vor kurzem war Fronleichnam. Darin steckt das althochdeutsche fro für Herr.
Fronleichnam (mittelhochdeutsch frone licham) ist der Leib des Herrn, der am Hochfest der Eucharistie verehrt wird. Dieses fro verschwand ansonsten fast völlig. Dagegen haben wir noch heute sein weibliches Pendant frouwe in unserem Wort Frau. Auch die Verkleinerungsform Fräulein war lange üblich, bis sie – weil ein Neutrum – von den 1960ern an immer mehr in Misskredit geriet. Dass das Fräulein in Zeiten einer ausgeprägten Genderfeinfühligkeit fröhliche Urständ feiert, ist allerdings nicht anzunehmen.