Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Zehn Gründe, warum die WM ein Erfolg ist
Schon nach den Achtelfinals steht fest: Die WM in Russland ist außergewöhnlich, spektakulär und emotional. Zehn Gründe, warum die Endrunde in Russland bleibenden positiven Eindruck hinterlassen wird:
1. ROS!-SI!-JA!
Es herrscht eine außergewöhnliche Stimmung. Gastgeber Russland ist nicht nur entgegen aller Erwartungen noch im Turnier, er überzeugt sogar im Rahmen seiner Möglichkeiten auf der ganzen Linie. Da Wladimir Put in und sein sonst äußerst restriktiver Sicherheit s apparat die glückseligen Fan sand erlangen Leine lassen, entfaltet sich die Euphorie im Land ungehindert.
2. HINCHAS
Die gute Stimmung überträgt sich auch dank der berühmten russischen Gastfreundschaft auf die anderen Fans. Der bunteste Farbtupfer dieser WM sind die wunderbaren Hinchas, die partybesessenen, lebensfrohen Fans aus Lateinamerika. Die friedlichen Fanfeste liefern genau die Bilder, deretwegen Putin alles darangesetzt hatte, die WM in sein Reich zu holen. Russlands internationale Imagepolitur läuft nach Plan!
3. KEINE HOOLIGANS
Noch vor zwei Jahren prügelten sich russische Hooligan-Horden durch die EM in Frankreich. Hochrangige russische Politiker hatten sie damals sogar noch gelobt und angstachelt. Es scheint, als hätten die Prügelorgien 2016 einen Zweck erfüllt: die WM 2018 vor Hooligans aus aller Welt zu schützen. Fachleute gehen davon aus, dass auch die Angst vor den brutalen russischen Schlägern dazu beigetragen hat, dass etwa Gewalttäter aus Deutschland, Polen oder England von einer Reise zur WM abgesehen haben.
4. ORGA
Die Organisation funktioniert. Dass sich Russland die WM umgerechnet mehr als zehn Milliarden Euro hat kosten lassen, merkt man in allen Spielorten. Und wer über gelungene Organisation spricht, darf auch den Videobeweis nicht vergessen. Seine zahlreichen Kritiker, die für die WM Chaos und Anarchie prognostiziert haben – sie liegen eindeutig falsch.
5. SPEKTAKEL
Die WM liefert tolle Spiele. Nach einer nur phasenweise langatmigen Vorrunde bot das Achtelfinale einen enormen Schauwert: Das 4:3 zwischen Frankreich und Argentinien war spektakulär, die ElfmeterDramen bei Russland gegen Spanien und England gegen Kolumbien entfachten bei den siegreichen Gastgebern und den Briten die bislang größten Jubelstürme im Turnier. Dass „kleine“Nationen wie Uruguay (3,5 Millionen Einwohner), Kroatien (4,1 Mio.) oder Schweden (10,1 Mio.) erfolgreich die großen ärgern, gibt der Endrunde eine weitere wohltuende Note.
6. BALLBESITZ ADE
Der Ball besitz fußball hat ausgedient. Spätestens das Achtel final-Aus seiner Erfinder, der spanischen Pass maschinen, hat ihn endgültig aufs Abstellgleis befördert. Schon der tief gefallene Titelverteidiger Deutschland musste inder Hin runde leidvoll feststellen, dass vertikalerHö ch stg es ch windigkeits fußball aus gesicherten Deckungsreihen derzeit nicht nur das erfolgversprechendere Mittel der Wahl ist, sondern auch das weitaus attraktivere.
7. KEIN KOMMENTAR!
Die FIFA und Russland beherzigen gerade die alte Weisheit, dass Reden Silber und Schweigen Gold ist. Weltverband und Gastgeber lehnen sich entspannt zurück, lassen das Turnier für sich wirken und genießen das Sonnenlicht, das es auf sie wirft. Jedes Wort der weltweit nicht unbedingt gut beleumundeten Protagonisten wäre eines zuviel: Wladimir Putin und Gianni Infantino treten kaum in Erscheinung. Auch das tut dem Turnier gut.
8. SCHAUSPIEL
Um es mal positiv zu formulieren: Die WM bietet auch Reizthemen für die Stammtische, die helfen, langatmige Phasen zu überstehen. Die unsägliche, immer mehr um sich greifende Schauspielerei auf den Plätzen schafft es dank Neymar in dieser Kategorie locker an die Spitze.
9. SONNE
Spätestens seit 2006 wissen alle, dass ein vernünftiges Sommermärchen ohne schönes Wetter nicht funktioniert. Der russische Sommer 2018 kann sich sehen lassen, auch wenn er derzeit etwas schwächelt.
10. NICHT POSITIV
Auch die in Russland allgegenwärtige Doping-Problematik wird von der Wucht der bunten Bilder und einer Politik des Unterden-Teppich-Kehrens während der WM erstickt. Ein geradezu lächerliches AntiDoping-Programm der FIFA sorgt dafür, dass in puncto Doping im wahrsten Sinne des Wortes nichts passiert.