Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Mit Euphorie gegen die Spaßbremsen
England will Schweden besiegen und „unsere Geschichte weiterschreiben“– Beide Nationen seit Jahrzehnten ohne Finaleinzug
SAMARA (dpa) - Ein England, das Elfmeterschießen übersteht, kann auch Weltmeister werden! Das ist die feste Überzeugung aller Three Lions. „Hier gibt es etwas zu gewinnen, und das wollen wir bald in beiden Händen halten“, tönte Abwehrchef John Stones vor dem WM-Viertelfinale am Samstag (16 Uhr MESZ/ARD und Sky) in Samara gegen Schweden: „Ich will diesen Pokal gewinnen.“
Die feine britische Zurückhaltung, ein neues Merkmal unter Trainer Gareth Southgate nach Jahren der medialen Hochnäsigkeit, ist spätestens nach dem ersten Sieg in einem WM-Elfmeterschießen gegen Kolumbien wieder fester Entschlossenheit gewichen. „Zur Hölle mit jedem, der auf Zurückhaltung besteht“, schrieb der „Guardian“. Man wolle „weiter Geschichte schreiben“, sagte Southgate : „Wir wissen, dass England seit 1990 kein Halbfinale gespielt hat. Wir sind so ehrgeizig zu sagen, dass wir da hinwollen.“
Manches spricht tatsächlich für England als kommenden Weltmeister. Nach Schweden würde in einem möglichen Halbfinale Gastgeber Russland oder Kroatien warten – eine lösbare Aufgabe.
Auf der Insel ist die Euphorie greifbar. Londons Bürgermeister Sadiq Khan plant schon Public Viewings am Trafalgar Square und Hyde Park für Halbfinale und Endspiel. Und obwohl laut „Daily Mail“bis zu 5000 Pfund (rund 5600 Euro) für Schwarzmarkt-Tickets aufgerufen werden, sollen sich 5000 Fans auf den Weg nach Samara gemacht haben.
Dochall zu sicher sollten sich die Engländer dann doch nicht sein. Denn die Schweden sind der Favoritenschreck dieser WM-Phase, die personifizierten Spaßbremsen. In der Quali schlugen sie Frankreich und warfen die Niederlande raus, in den Play-off Italien und in der Gruppenphase Weltmeister Deutschland. „Wir haben Deutschland nicht rausgeworfen. Das war Südkorea“, meinte der Leipziger Emil Forsberg nicht zu Unrecht. Dennoch holte sein Team trotz einer 1:2-Niederlage gegen das DFB-Team den Gruppensieg.
Es wird Geschichte geschrieben
Und auch für England waren die Schweden bisher ein echter Angstgegner. „Wir haben eine ganz schlechte Bilanz gegen sie“, sagte Southgate: „Wir haben sie jahrelang immer unterschätzt.“Von den acht Pflichtspielen bisher gewann England nur eines, von den letzten sieben Freundschaftsspielen ebenso. Doch für Schwedens Trainer Janne Andersson hat das keine Bedeutung. „Das ist Vergangenheit. Es sind die aktuellen Teams, die es morgen unter sich ausmachen.“Besonders motiviert dürfte Abwehrchef Andreas Granqvist sein, der in der Nacht zum Freitag Vater wurde.
Klar ist, dass beide Geschichte für ihr Land schreiben können. Die Engländer standen zuletzt 1990 im Halbfinale, die Schweden 1994. Ihre einzigen Final-Teilnahmen sind sogar schon 52 beziehungsweise 60 Jahre her. England wurde Weltmeister, Schweden verlor gegen Brasilien.