Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
DFB erhöht Druck auf Özil
Nach Bierhoff fordert auch Präsident Grindel Erklärung
BERLIN (dpa/sz) - Nach Teammanager Oliver Bierhoff hat auch DFBPräsident Reinhard Grindel von Mesut Özil eine öffentliche Erklärung gefordert wegen der PR-Fotos des Mittelfeldspielers mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan rund einen Monat vor Beginn der WM. „Es stimmt, dass sich Mesut bisher nicht geäußert hat. Das hat viele Fans enttäuscht, weil sie Fragen haben und eine Antwort erwarten. Diese Antwort erwarten sie zu Recht. Deshalb ist für mich völlig klar, dass sich Mesut, wenn er aus dem Urlaub zurückkehrt, auch in seinem eigenen Interesse öffentlich äußern sollte“, sagte Grindel in einem Interview des „kicker“.
Zu den zunehmend rassistischen Kommentaren, denen der türkischstämmige Özil seit Wochen ausgesetzt ist, äußerte sich auch Grindel nicht. Andere Länder gehen mit rassistischen Ausfällen gegen ihre Spieler auch anders um.
BERLIN (dpa/SID/fil) - Die Aufarbeitung des WM-Desasters der deutschen Nationalmannschaft wird mehr und mehr zum nächsten Debakel. Während Bundestrainer Joachim Löw nach seinem per Pressemitteilung verkündeten Bleiben abgetaucht ist, verheddern sich Teammanager Oliver Bierhoff und DFB-Boss Reinhard Grindel in der Dauerdebatte um Mesut Özil, der mehr und mehr zu einem Sündenbock für das WM-Aus gemacht zu werden droht.
Die Krisenmanager des deutschen Fußballs bekommen die Erdogan-Affäre einfach nicht in den Griff.
Ohne die angekündigte tiefergehende sportliche und strukturelle Analyse des Scheiterns bei der WM in Russland zunächst einmal abzuwarten – oder an Bierhoffs Befähigung als Architekt für den Neuaufbau der Nationalmannschaft nach dessen medialem Vor- und wieder Zurückpreschens über Özils Nominierung zu zweifeln – fokussiert sich auch Grindel selbst nur auf die Personalie Özil.
DFB fordert erst jetzt Antworten
„Es stimmt, dass sich Mesut bisher nicht geäußert hat. Das hat viele Fans enttäuscht, weil sie Fragen haben und eine Antwort erwarten. Diese Antwort erwarten sie zu Recht. Deshalb ist für mich völlig klar, dass sich Mesut, wenn er aus dem Urlaub zurückkehrt, auch in seinem eigenen Interesse öffentlich äußern sollte“, sagte Grindel in einem komplett am Montag erscheinenden Interview dem „kicker“.
Weiter sagte Grindel: „Daneben müssen wir die sportliche Analyse abwarten und schauen, ob Joachim Löw weiter mit ihm plant.“Dieses Vorgehen bezeichnete der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete noch als fairen Umgang „mit einem verdienten Nationalspieler, der einen Fehler gemacht hat“. Özil hat übrigens 92 Länderspiele gemacht.
Özil hatte seit dem Erscheinen der umstrittenen Aufnahmen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Mitte Mai, im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Ilkay Gündogan, keine öffentliche Stellungnahme abgegeben und war dafür mehrfach kritisiert worden. Die Affäre hatte die Vorbereitung der Nationalelf auf die WM nach Aussagen etwa von Mittelfeldspieler Sami Khedira stark belastet. Vor allem Özils beharrliches Schweigen hatte die Führungsspieler dem Vernehmen nach irritiert.
Gleichzeitig hatte aber auch der DFB keine Erklärung eingefordert von Özil. Nach einem auf Wunsch Gündogans vom DFB eilig organisierten Besuch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, an dem auch Özil teilnahm, hatten Bierhoff und Löw die Debatte mit einem „Basta“zu beenden versucht. Auch, als Özil beim Testländerspiel gegen Österreich und später Gündogan beim Spiel gegen Saudi-Arabien von Teilen der Fans ausgepfiffen wurden, hatte Bierhoff gesagt, dass „irgendwann dann meines Erachtens auch gut“sei und den Medien vorgeworfen, das Thema „jeden Tag“wieder aufzubringen.
Erst jetzt fordert der Verband von Özil eine klare Stellungnahme zum Treffen mit Erdogan. Er hoffe, betonte Grindel, „dass Özils Stellungnahme so eindeutig ist, dass die Fragen der Fans und des Verbandes beantwortet sind“. Möglicherweise spekuliert man beim DFB aber auch auf eine Fortsetzung des Özil-Schweigens zum politischen Thema. Somit wäre sein Ende in der DFB-Elf unvermeidbar und eine erste – nicht wenige Fans befriedigende – WM-Konsequenz gezogen. Am Wochenende veröffentliche Özil übrigens erneut ein Urlaubsfoto bei Twitter und schrieb dazu auf Englisch: „Hab Vertrauen und danke Gott für all die Segnungen.“
Özils Vater attackiert Bierhoff
Özils Vater Mustafa legte seinem Sohn einen Abschied aus der DFBElf nahe. „Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich sagen: ,Schönen Dank, aber das war es! Dafür ist die Kränkung dann doch zu groß’. An Mesuts Stelle würde ich zurücktreten“, sagte der 50-Jährige der „Bild am Sonntag“. Bierhoffs Aussage, wonach das DFB-Team bei der WM in Russland vielleicht besser auf Özil verzichtet hätte, nannte dessen Vater einen „schlechten Witz“und „eine Frechheit“. Sie diene „nur dazu, die eigene Haut zu retten“. Der DFB um Löw, Bierhoff und Grindel habe „versäumt, ein klares Krisenmanagement zu machen“.
Seit der Veröffentlichung seiner Aussagen am Donnerstag zeigte Bierhoff enorme Ausdauer im Zurückrudern. „Anders gemeint“, „missverständlich“, „falsch ausgedrückt“, „es tut mir leid“, „ich ärgere mich“... Bei Grindel zumindest kam dies gut an. „Oliver Bierhoff hat sehr deutlich gemacht, dass er sich hier missverstanden fühlt. Und dass es in keiner Weise seine Absicht war, einen Spieler öffentlich für das Scheitern bei der WM verantwortlich zu machen“, sagte der Präsident, der den Blick mit seinem Interview aber auch wieder weg von Bierhoff und hin zu Özil lenkte.
Grindel sagte nun im „kicker“auch, die gesamte Debatte zeige, „wie sensibel das Thema ist“. Der Resonanzboden für das Thema Integration habe sich in Deutschland verändert. „Kluges Krisenmanagement“, ergänzte er, „heißt kühlen Kopf bewahren und nicht jedem Druck nachgeben.“Genau das Gegenteil ist beim DFB gerade der Fall.