Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Schon die Oma war bei Olympia
Ramon Klenz (19) klaut den Groß-Rekord, das Schwimmen liegt ihm in den Genen
BERLIN (SID/dpa) - „Albatros“Michael Groß wirkte fast erleichtert, als sein Uralt-Rekord endlich gebrochen wurde. „Oh, wie schön, es wurde aber auch mal Zeit. Ich freue mich für den jungen Burschen“, sagte der dreimalige Olympiasieger über den 19 Jahre alten „Schmetterling“Ramon Klenz, der bei der Meisterschaft in Berlin die älteste bestehende deutsche Rekordmarke pulverisiert hatte.
Sage und zähle 32 Jahre ist es her, dass Groß in Hannover eine Zeit von 1:56,24 Minuten zu Wasser brachte. Klenz war noch nicht mal geboren. „Vor über 30 Jahren ist er die Zeit geschwommen, dann müssen wir das doch irgendwann auch schaffen“, meinte der neue Rekordhalter nach seinem Triumph in 1:55,76 Minuten.
Lohn neben Titel und Rekord: Der Nominierungsausschuss stimmte der von Bundestrainer Henning Lambertz vorgeschlagenen Ausnahmeregelung zu, der Newcomer springt nachträglich noch auf den EM-Zug. Bei der EM in Glasgow (3. bis 12. August) wolle er seine „Leistung nochmal zeigen“, sagte die Nummer 3 in Europa. Sein Durchbruch kommt überraschend. Der Youngster, der 2017 sein Abitur abschloss, hatte zuletzt immer wieder mit sich gehadert. Nachdem Lambertz die Normzeiten an Platz acht der Olympischen Spiele in Rio orientiert und klar hochgeschraubt hatte, schien die EM für ihn außer Reichweite.
Dann die Leistungsexplosion von Berlin. Der Grund? „Der späte Saisonabschluss kam mir wohl entgegen“, sagte der Student der Wirtschaftspsychologie. Auch das neue Kraftkonzept von Lambertz hatte einen positiven Einfluss. „Ich kann jetzt mehr Power ins Wasser bringen“, sagte Klenz, der viel Zeit im Kraftraum verbracht hat.
Eigentlich ein Lagenschwimmer
Der gebürtige Leipziger stammt aus einer Schwimmerfamilie. Schon seine Oma Eva Wittke ging bei den Olympischen Spielen 1968 für Deutschland ins Wasser, wurde Fünfte mit der Lagenstaffel. Klenz' Mutter, Sabine Klenz, war EM-Zweite und bei den Spielen 1996 in Atlanta Vierte über die Lagendistanz. Vier Jahre später startete sie gemeinsam mit ihrem Bruder Stefan in Sydney. Nun also Ramon. Als dessen Stärke galt bislang seine Vielseitigkeit. Klenz schwimmt Rücken, Schmetterling und Lagen fast gleichstark – darum waren ihm bis dato in den Lagen die größten Chancen zugetraut worden. Auf den Leistungsschub hatte Klenz schon früher gehofft, Ende 2017 war er extra nach Australien geflogen, um dort mit den besten Schwimmern des Landes zu trainieren. „Ich wollte die Norm bei den German Open im April schaffen, aber das hat nicht geklappt.“
Aber jetzt – und wie! Seine eigene Bestmarke toppte er um fast zwei Sekunden. Selbst die A-Norm für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio hätte er mit seiner Zeit locker geknackt. Trainer Veith Sieber erfuhr von der famosen Zeit übers Internet. Er war noch am Stützpunkt in Hamburg, wo er mit Lagenschwimmer Jacob Heidtmann, Trainingspartner von Klenz, trainierte. Der neue Rekordträger konnte sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen, als ihm sein Trainer schrieb, er sei „sprachlos“.
Für beide stehen nun viele Trainingseinheiten auf dem Programm. Denn Klenz musste seinen Urlaub canceln, er fährt jetzt nach Glasgow.