Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Wir brauchen schnelle Hilfen“
Agrarminister Hauk will Landwirte mit Versicherung vor den finanziellen Folgen des Klimawandels schützen
RAVENSBURG - Südwest-Agrarminister Peter Hauk (CDU) will Bauern Mittel für Ernteausfälle wegen der anhaltenden Trockenheit gewähren – aber erst nach der Ernte. Damit Soforthilfen nicht zum Dauerbrenner werden, plädiert Hauk für Mehrgefahrenversicherungen für Landwirte. Die will er notfalls über eine Bundesratsinitiative erreichen, sagte er im Interview mit Hendrik Groth, Claudia Kling und Kara Ballarin.
Herr Hauk, Länder wie Brandenburg wollen ihren Bauern direkt Soforthilfen wegen der erwarteten Ernteausfälle bieten. Sie auch?
Ich bin sehr für Datenerfassung. Das ist möglich, wenn die Ernte fertig ist. Damit haben wir ja schon vergangenes Jahr wegen der Frostschäden im Obstbau Erfahrungen gemacht. Die Erntedaten sollten Ende August vorliegen.
Wer soll Steuergeld bekommen?
Um Staatsmittel freizugeben, gibt es klare Vorgaben von der EU. Danach muss der Ernteausfall mindestens 30 Prozent betragen. Wir brauchen schnelle Hilfen für die, deren Existenz bedroht ist, hier darf die Bürokratie nicht im Wege stehen.
Wer ist von der Trockenheit im Land besonders betroffen?
Das ist bisher ganz unterschiedlich. Im Getreidesektor haben wir alles, von der Vollernte bis zum Totalausfall. In Nordbaden war es deutlich trockener – da sind die ersten Trockenheitsschäden gemeldet worden. Beim Mais haben wir Felder, die sind hüfthoch, andere sind zwei Meter hoch – je nachdem, wo es regional zwischendurch geregnet hat. Im Grünlandsektor sieht es überall ein bisschen schwieriger aus. Diese Biomasse fehlt.
Und die ist notwendig als Futter. Wie werden Grünlandbauern entschädigt?
Da wird die Berechnung schwieriger. Es gibt zwei Möglichkeiten, mit dem Mangel umzugehen. Als Sofortmaßnahmen müssten die ökologischen Vorrangflächen zur Nutzung freigegeben werden, die nach EU-Regelung geschützt sind. Doch die EU sieht Ausnahmefälle vor. Bevor die Tiere sterben, muss man sie füttern. Die zweite Möglichkeit wäre, wie in Bayern beschlossen, den Futterzukauf zu fördern.
Sollten Zahlungen an Bedingungen geknüpft werden, etwa an Verpflichtungen zu ökologischerem Arbeiten?
Landwirtschaft ist ein atmendes System. Wenn das Futter in der Tierhaltung nicht reicht, werden Tiere geschlachtet. Wenn die Grünen sagen, sie wollen Auflagen, dann muss man sehen, dass wir in Baden-Württemberg die Nachfrage nach konventionell produziertem Fleisch schon heute nicht mehr decken können. Rindfleisch importieren wir kräftig. Wenn ich die Felder weniger nutzen möchte, aber meinen Konsum nicht verändere, dann verschieben wir die Produktion in andere Länder. Ich bin für Erziehung und Aufklärung. Wir müssen den Menschen klar machen, dass Fleischkonsum nicht alles ist und es eine vernünftige Abwechslung braucht.
Wie kann Erziehung fruchten?
Wir gründen Ende dieses Jahres ein Landeszentrum für Ernährung bei der Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume in Schwäbisch Gmünd. Das Landeszentrum soll Impulsgeber für die Ernährungsbildung und die Qualität der Gemeinschaftsverpflegung im Land sein. Deshalb wird dort ab 2019 ein neues Kompetenzzentrum für Gemeinschaftsverpflegung aufgebaut. Wir haben jetzt mit Kultusministerin Susanne Eisenmann vereinbart, dass die Grundschüler im Land einen Ernährungsführerschein machen. Dabei geht es nur um die Frage bewusster Ernährung. Wir machen auch entsprechende Programme in den Kitas und Kindergärten, wir zertifizieren auch Kindergärten, die an entsprechenden Programmen teilnehmen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Menschen umdenken, dass sie bewusster essen.
Da treffen Sie doch den Nerv ihres grünen Koalitionspartners, oder?
Die Grünen haben einen anderen Ansatz. Sie wollen an der Landwirtschaft ansetzen und sich so ein sauberes Gewissen machen. Und wenn die Leute trotzdem Fleisch kaufen, ist die Wirtschaft schuld, die mit Dumpingpreisen arbeitet. Es kann nicht sein, dass Flächen im Regenwald ausgebeutet werden. Das halte ich für einen schlechten Ansatz. Wir müssen bei den Dingen, bei denen wir Defizite haben, selber nachsteuern.
Wo sehen Sie Bedarf?
Wir haben Defizite bei der Artenvielfalt im Ackerbau. Dort muss aber nicht zwingend ökologisch gearbeitet werden, das geht auch anders. Wir brauchen mehr produktionsintegrierten Nützlingseinsatz und im konventionellen Ackerbau ergänzende Methoden. Zum anderen auch Forschung beim integrierten Landbau. So könnten wir noch mehr auf Nützlinge setzen wie Schlupfwespen beim Mais, die die Eier von Maiszünsler fressen. Das passiert schon auf der Hälfte der Maisflächen in Baden-Württemberg. Die züchtet man und bringt sie mit Drohnen über den Feldern aus. Dass man sich mittelfristig mit dem Thema Klimawandel beschäftigen muss, steht für mich aber außer Frage. Das belegen jährliche Klimaereignisse, auf die wir uns vorbereiten müssen.
Wie können Bauern vor extremen Wetterlagen geschützt werden?
Eine steuerliche Risikorücklage für schlechte Jahre wäre wichtig gewesen – damit sind wir auf Bundesebene bei der SPD nicht durchgedrungen. Ganz wichtig ist auch eine staatliche Bezuschussung einer Mehrgefahrenversicherung für Bauern. In Österreich teilen sich Bund und Länder den staatlichen Anteil. Die Länder allein werden das nicht stemmen können. Ich will versuchen, einen entsprechenden Beschluss bei der Agrarministerkonferenz im September herbeizuführen. Dafür braucht es Einstimmigkeit. Wenn das nicht klappt, überlege ich, eine Bundesratsinitiative zu starten. Es ist doch klar, dass ein Ergebnis des Klimawandels meteorologische Katastrophen sind. Die Landwirtschaft ist nicht der Hauptschuldige, sondern unsere Industriegesellschaft. Da kann man die Landwirte nicht im Regen stehen lassen.
Warum gibt es das in 17 EU-Staaten, aber in Deutschland nicht?
Bisher haben die Bundesländer ohne Sonderkulturen gemauert. Von der jetzigen Dürre sind sie aber besonders betroffen. Auch der Deutsche Bauernverband sieht zwischenzeitlich ein, dass solche Versicherungen notwendig sind. Wir dürfen die Landwirte aber nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. 50 bis 60 Prozent der Versicherungskosten sollen sie selbst tragen. Der Apfelbauer hier am Bodensee wird dabei einen höheren Beitrag haben als einer auf der Halbhöhenlage.