Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
111 ganz besondere Tennisminuten
Alexander Zverev gewinnt das Duell mit Bruder Mischa in Washington mit 6:3, 7:5
WASHINGTON (dpa/SID) - Tränen der Rührung schon vor dem Spiel, eine herzliche Umarmung danach und dann auch noch ein gemeinsames Doppel: Das erste Bruderduell zwischen Alexander und Mischa Zverev beim ATP-Turnier in Washington hatte nahezu alle Züge eines HollywoodKlassikers. Dass der 21-jährige Alexander schließlich gegen seinen neun Jahre älteren Bruder Mischa im Achtelfinale mit 6:3, 7:5 gewann, geriet in der US-Hauptstadt nach dem ersten Tennisduell der beiden auf ATP-Niveau fast in den Hintergrund.
„Es war ein ganz, ganz besonderer Moment“, sagte Mischa Zverev später im amerikanischen TV-Sender Tennis Channel. „Als wir vor dem Match beim Münzwurf gemeinsam am Netz standen, hatte ich schon ein bisschen mit den Tränen zu kämpfen“, gestand der ältere Bruder. „Weil ich an unsere Eltern gedacht habe und daran, was dieses Spiel für sie bedeuten muss. Ich musste mir auf die Zunge beißen, um mich konzentrieren zu können.“
Lohn harter Arbeit hier wie da
Vater Alexander senior und Mutter Irina verfolgten die Begegnung gemeinsam auf der Tribüne und konnten stolz sein auf das, was ihre beiden Söhne den Zuschauern bei der mit 2,1 Millionen Dollar dotierten Hartplatz-Veranstaltung boten. Nach 1:51 Stunden machte Alexander Zverev den Einzug ins Viertelfinale perfekt, wo Kei Nishikori (Duell bei Andruck noch nicht begonnen) als Gegner wartete.
„Es war schon sehr speziell“, gestand Zverev, der Jüngere, der das Turnier im vergangenen Jahr gewinnen konnte. „Wir haben so hart dafür gearbeitet“, sagte er und sprach von „unglaublichen Gefühlen“. Den Tag wolle er nie vergessen: „Wer kann schon von sich behaupten, auf diesem Niveau gegen seinen Bruder gespielt zu haben?“
Tatsächlich unterhielten die Hamburger Geschwister die Zuschauer besser als erwartet, vor allem nach dem klaren ersten Satz lieferte Mischa seinem Bruder einen beherzten Kampf. Der Linkshänder hatte in der entscheidenden Phase des zweiten Durchgangs sogar einen Satzball, doch es sollte nicht reichen. Sein Kommentar: „Ich hatte schon Angst, dass ich gar nicht mithalten kann.“
„Ich hoffe, es war nicht das letzte Mal. Ich hoffe, wir stehen uns eines Tages in einem Finale gegenüber, oder ähnliches. Dies war hoffentlich nur das erste Mal von vielen“, befand am Ende Alexander, die Nummer 3 der Welt. Bislang hatten sich die Zverevs nur zweimal in der Qualifikation gegenübergestanden. Auf ATP-Niveau war es das erste Kräftemessen – und das erste Bruderduell seit 2016, als die Österreicher Jürgen und Gerald Melzer gegeneinander spielten.
Schon seit vielen Jahren reisen die Zverevs als Familienunternehmen um die Welt. Wegen des großen Altersunterschiedes lag der Fokus in den ersten Jahren auf Mischa Zverev, der kleine Alexander war aber immer dabei und stand schon in frühen Jahren mit seinem großen Bruder gemeinsam auf dem Trainingsplatz. „Ich weiß gar nicht mehr, wie viele WimbledonEndspiele wir im Garten nachgespielt haben“, sagte Alexander.
„Mischa hat mir gerade zu Beginn meiner Karriere unglaublich viel geholfen“, so die deutsche Nummer 1. Ein Kompliment, das Mischa umgehend zurückgab: „Als ich 2014 nach einer Operation am Tiefpunkt war, hat er in Hamburg erstmals für Furore gesorgt und das Halbfinale erreicht. Das hat mir damals einen unheimlichen Push gegeben, weiter für mein Comeback zu kämpfen“, sagte er in einem gemeinsamen Interview, an dem die Brüder sichtlich Spaß hatten.
Krönender Abschluss der ZverevFestspiele war dann am späten Abend der gemeinsame Auftritt im Doppel. Gegen die an Nummer 1 gesetzten Oliver Marach und Mate Pavic (Österreich/Kroatien) setzten sich die Brüder mit 6:1, 6:4 durch und lagen sich danach wieder in den Armen. Dieses Mal beide als Sieger.